© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/19 / 08. November 2019

Eine Seele von Mensch
Der JF-Chefredakteur zum Tod von Günter Zehm
Dieter Stein

Während des Studiums in Freiburg 1990 wurde unter befreundeten Kommilitonen die Wochenzeitung Rheinischer Merkur herumgereicht mit dem Hinweis: „Da erscheint jetzt die Kolumne von Pankraz. Die muß man lesen.“

Im Februar 1994, einen Monat nach dem Wochenzeitungsstart der JF, kam ich mit Günter Zehm, dem Autor des „Pankraz“, in Kontakt. Ich durfte ihn in Jena am philosophischen Institut seiner Universität besuchen und führte ein Interview mit ihm. Viele der damals angeschnittenen Fragen sind unverändert aktuell: die Marginalisierung der Konservativen in Politik und Medien und die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch linken Boykott und Gewalt.

Als der Chefredakteur des Rheinischen Merkur kurz darauf eine Kolumne hinter seinem Rücken aus dem Blatt warf („Günter Zehm ist verreist“) sprang die JF ein und druckte seinen Text. Damit war auch das Tischtuch zu seiner Redaktion zerschnitten.

Es war ein Ritterschlag für uns, als er uns schließlich anbot, seine Kolumne ab Januar 1995 in der JUNGEN FREIHEIT zu veröffentlichen. Er kam in einem Moment an Bord, als unsere Zeitung in höchster Not war. Ende 1994 waren wir zur Zielscheibe der bis heute schwersten linksextremen Attacken geworden. Mehrfach wurde unsere Druckerei in Weimar überfallen, bis im Dezember nach einem Brandanschlag das Druckhaus ausbrannte und wir über Wochen von einer Druckerei zur nächsten ziehen mußten. Wir waren damals auch faktisch permanent pleite. 

Es erfüllte uns mit großem Stolz, daß dieser angesehene Publizist just in diesem Moment an Bord kam und uns den Rücken stärkte. „Pankraz“ war eine Instanz. Er sah, daß uns Unrecht geschah, und er stellte sich demonstrativ an unsere Seite.

Wir hatten uns fest vorgenommen, daß „Pankraz“ bei uns nie hineingeredet werden würde. Nachdem er bei der Welt und dem Rheinischen Merkur hinausgemobbt worden war, sollte er bei uns das schreiben können, was ihm am Herzen lag. 

Er war eine Ausnahmegestalt, von unglaublicher Neugier für entlegenste Wissensgebiete und Fragen des menschlichen Lebens getrieben. Sein Temperament ist legendär. Wer ihn nicht kannte, konnte entsetzt sein, zu welchen cholerischen Wutausbrüchen er am Telefon fähig war: „Das ist ja unglaublich! Was ist denn das für eine Scheiße? Wie ist das nur möglich, mein Gott noch mal!“ Doch dann brach sich schnell die Welle und er wechselte zu quietschvergnügter Gemütlichkeit. Meist mußte ich schon lachen, während er am Telefon noch tobte. Dann empörte er sich: „Und Sie lachen auch noch! Das ist ja ein Ding. Unerhört!“ Und lachte selbst.

Günter Zehm war eine Seele von Mensch. Er hat uns geliebt. Und wir ihn. Wir werden ihn nie vergessen.