© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/19 / 08. November 2019

Unternehmerisches oder politisches Kalkül?
Nähe zu linken Politikern: Milliardäre investieren ins Mediengeschäft
Ronald Berthold

Linksgerichtete, branchenfremde Milliardäre mischen zunehmend im Mediengeschäft mit. Vergangene Woche kaufte der reichste Mann Tschechiens, ein Bekannter des Präsidenten, mehr als 30 osteuropäische Fernsehsender. In Frankreich ist die Tageszeitung Le Monde in der Hand eines Freundes von Präsident Emmanuel Macron. Jenseits des Atlantiks bekämpft der Amazon-Chef über seine neu erworbene Washington Post den US-Präsidenten. Und in Deutschland ist der Finanzinvestor KKR bei Axel Springer eingestiegen.

Petr Kellner gilt als geheimnisvolle Figur in der Tschechischen Republik. Sein Milliardenvermögen baute er sich nach dem Zusammenbruch des Sozialismus mit dem Kauf zahlreicher von Staats- in Privateigentum überführter Unternehmen auf. Ende Oktober sorgte der in seinem Land „Oligarch“ genannte Mann für einen Paukenschlag und investierte 2,1 Milliarden Euro in den Kauf zahlreicher TV-Stationen, die ihr Programm in Tschechien, Slowenien, Bulgarien, Rumänien und der Slowakei ausstrahlen. Sie gehören zur Senderkette Central European Media, die das US-Telekommunikationsunternehmen AT&T an Kellners Konzern PPF veräußerte.

Die journalistische Unabhängigkeit verliert

Über den 55jährigen ist nicht viel mehr bekannt, als daß er Nähe zum sozialdemokratischen Staatspräsidenten Milos Zeman zeigt. Kürzlich nahm er den Politiker auf eine Reise nach China in seinem Privatflugzeug mit. Kellner ist verschwiegen, daher können Beobachter über die Motive des Medien-Deals nur spekulieren: Will Kellner sein Geld mehren oder versucht er, seine politische Macht auszudehnen?

Mit Zeman hat Tschechien ein linkes Staatsoberhaupt, das die Sudetendeutschen als „Hitlers fünfte Kolonne“ bezeichnet und deren Vertreibung rechtfertigt. Die Tschechoslowakei habe den Deutschen damals, sagte er zynisch, „einen Gefallen getan“, weil diese dadurch „heim ins Reich“ gekommen seien. Zeman ist im Land umstritten; die Stichwahl um das Präsidentenamt im vergangenen Jahr gewann er nur hauchdünn. Bei der Europawahl im Mai stürzte seine Partei ab, erreichte nicht einmal mehr vier Prozent und konnte keinen Parlamentarier nach Brüssel entsenden. Vorn lagen rechte und konservative Parteien. Möglich, daß Zemans Freund Kellner dieser Entwicklung entgegenwirken möchte. Zu seinem neuen Medienimperium gehört auch Tschechiens beliebtester Privatsender „Nova“. Ohne zu sagen, in welche Richtung, konstatiert auch das Handelsblatt, Kellner baue mit dem Kauf „seinen politischen Einfluß in Mittel- und Osteuropa aus“.

Der KKR-Einstieg beim einstigen Zeitungshaus Axel Springer dürfte dagegen vor allem Profitinteressen dienen. Mit Bild, B.Z. und Welt verfügt der Verlag nur noch über drei nachrichtenorientierte Medien. Der Umbau Springers zu einem pressefremden Digitalkonzern hatte bereits begonnen, bevor die amerikanische „Heuschrecke“ ein Auge auf das Unternehmen warf. Dennoch ist mit der Übernahme ein Personalabbau im journalistischen Bereich von 150 Stellen verbunden – der DJV spricht von einem „publizistischen Kahlschlag“. KKR, der den kanadischen Pensionsfonds CPPIB als Geldgeber mit ins Springer-Geschäft geholt hat, verfolgt damit vor allem eine Renditesteigerung. Denn weniger kostspielige redaktionelle Arbeitsplätze bedeuten mehr Gewinn.

Anders sieht es im Nachbarland Frankreich aus. Dort verfolgen die milliardenschweren Besitzer der linksliberalen Le Monde durchaus politische Ziele. Nach einem Zerwürfnis der beiden, auch um die politische Ausrichtung des Blattes mit einer Auflage von 303.000 Stück, haben sie zuletzt Frieden geschlossen. Auf der einen Seite steht Xavier Niel, ein Unterstützer des Präsidenten Macron. Sein Verhältnis zur Pressefreiheit macht folgender Ausspruch deutlich: „Wenn mich Journalisten nerven, kaufe ich eine Beteiligung an ihrer Postille, dann lassen sie mich in Ruhe.“

Sein Partner und Gegenpart ist Mat­thieu Pigasse. Trotz seines Milliardenvermögens gehört er zu den Kapitalismuskritikern, bekennt sich zum Sozialismus und Linken-Führer Jean-Luc Mélenchon. Kompagnon Niel verdächtigt ihn, ein Strohmann des tschechischen Milliardärs Daniel Kretínský zu sein. Auch dieser gehört eher zur Linken und ist inzwischen Mitbesitzer zahlreicher Zeitungen in seinem Heimatland. Niels Vorwurf: Pigasse wolle den Osteuropäer mit ins Boot holen. Der Streit endete jetzt damit, daß dieses Vorhaben ausgeschlossen bleibt. Macron-Mann Niel wird als Sieger gefeiert. Doch ist das auch ein Sieg für die Pressefreiheit? Die französische „Beobachtungsstelle für Journalismus“ beklagt, daß die „journalistische Unabhängigkeit“ als Verlierer aus dem Machtkampf hervorgegangen sei. Über Niel könnte sich Macron einen erheblichen Einfluß auf das mächtige Pariser Blatt gesichert haben.

Umgekehrt sieht es in den Vereinigten Staaten aus. Dort hat sich einer der massivsten Kritiker des Präsidenten bereits 2013 die Washington Post gekauft. Amazon-Chef Jeff Bezos gilt als reichster Mann der Welt. Seine Zeitung bekämpft seit Donald Trumps Amtsantritt das Staatsoberhaupt täglich mit einer eigenen Rubrik. Folgte darauf nun die Retourkutsche? Bei der Vergabe eines milliardenschweren Clouddaten-Auftrags des Pentagons erhielt Microsoft den Zuschlag, Mitbewerber und eigentlicher Marktführer Amazon ging leer aus.