© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/19 / 08. November 2019

Frisch gepresst

9. November. Der Jurist Matthias Bath, einst wegen Fluchthilfe in DDR-Haft, versammelt 25 Autoren, die meist sehr persönlich ihre Erlebnisse am 9. November 1989 schildern. Für die unter 35jährigen, immerhin schon rund ein Drittel der heutigen Bevölkerung, ist der 9. November „Geschichte ohne Erinnerung“, wie Bath schreibt. Um so erfreulicher ist es, wenn der Herausgeber mit der damals im Wedding lebenden Dänin Signe Astrup oder dem Oberschöneweider Dieter Radtke Berliner Zeitzeugen aus West und Ost zu Wort kommen läßt. Der Journalist Jörg Kürschner etwa erzählt, wie er von Hannover nach West-Berlin beordert wurde und schließlich instinktiv an einen Grenzübergang fuhr, um die Geschehnisse live zu beobachten. Ralf Herrmann, der in der DDR als Volkspolizist tätig war, beschreibt eindringlich, wie fassungslos er beobachtete, wie sein Nachbar, ein NVA-Offizier, erst spät nachts wiederkam, weil er sich samt Familie in West-Berlin ausgetobt hatte. Die meist vier- bis fünfseitigen Erlebnisberichte lesen sich flott und geben das vielfältige Bild wieder, das die Deutschen vom Tag des Mauerfalls hatten. (ls)

Matthias Bath (Hrsg.): Mauerfall. 25 und eine Erinnerung an die Nacht des 9. November 1989. Neuhaus Verlag, Berlin 2019, broschiert, 178 Seiten, 16,90 Euro





Wessi-Ostalgie. Gerd Schu- mann war schon zu DDR-Zeiten Fan des Arbeiter- und Bauernstaats – und er ist es auch nach dessen Untergang geblieben. Wie viele linke Westdeutsche, die zwar die DDR be-, danach aber auch wieder ausreisen konnten, verbindet er mit der DDR Frieden und Solidarität – und nicht etwa Stasi, Grenzanlagen und Mangelwirtschaft. Die BRD – auch die wiedervereinte –, das ist für den Journalisten das Kapital, das Böse auf einem Fundament aus Gier und Mißgunst. Der goldene Osten hingegen war der Versuch, ein „vernunftgeleitetes Land zu bauen“, das Wort „Diktatur“ sieht er daher als „Unterstellung“.  In 27 teilweise zweitverwerteten Beiträgen, Gesprächen und Reportagen will Schumann nun seine Sicht auf die untergegangene DDR und den Osten im heutigen Deutschland an den Leser bringen. Seine rückwärtsgewandten Bestandsaufnahmen der Jetztzeit haben mit der Realität allerdings so viel zu tun wie das von ihm gezeichnete Bild der DDR mit dem real-existierenden SED-Deutschland. (krk)

Gerd Schumann: Das Morgen im Gestern. Erkundungen eines Wessis im Osten. Verlag Neues Leben, Berlin 2019, broschiert, 271 Seiten, 15 Euro