© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/19 / 08. November 2019

Der Flaneur
Bewährtes Hupen
Claus-M.Wolfschlag

Arbeit 4.0, Roboter im Produktionsprozeß, künstliche Intelligenz: Davon ist viel zu lesen. Doch die Bauarbeiten ein Stück die Straße hoch werden immer noch von echten Menschen durchgeführt. Penetrantes Piepsen der Baufahrzeuge dringt nachts ins Schlafzimmerfenster. Der Rückfahrpiepser sei aus Sicherheitsgründen gesetzlich vorgeschrieben, lese ich im Internet. Ich habe den Eindruck, manche Fahrzeuge würden die ganze Nacht im Rückwärtsgang Dauerrunden drehen. Um kurz nach sieben Uhr wird das Piepsen von Hupen abgelöst. Alle 30 Sekunden hupt es. Manchmal lang, manchmal kurz, dann zweimal schnell hintereinander.

Gibt es denn keine digitale Lösung, so daß nur der Fahrer das Signal hört?

Ich ziehe mich an, laufe die Straße hoch, um die Quelle zu finden. Schließlich stehe ich vor einem langsam rollenden Lastwagen, hinter dem sich ein zweites Gefährt bewegt. „Hallo“, spreche ich den Fahrer an. Er lehnt lässig mit einem Arm aus dem geöffneten Fenster. „Können Sie das ständige Hupen vielleicht unterlassen?“ „Nee“, lautet die Antwort. Das Hupen sei ein Signal zwischen ihm und dem anderen Fahrzeug, wann der Lkw weiterzufahren habe. „Da kann man nichts machen“, sagt er.

Ich telefoniere mit der Baufirma. „Hinter dem Lkw ist die Fräswalze, die den abgetragenen Asphalt auf die Ladefläche schüttet. Die Fräse gibt das Signal an den Laster, weiterzufahren“, erklärt ein Mitarbeiter. Ich verweise auf das nahe gelegene Wohnviertel. „Wir fangen ja erst um sieben an, nicht um sechs, wie üblich“, antwortet er. Ich verweise auf moderne Möglichkeiten, Signale digital zu übertragen. So würde nur der Mann in der Fahrerkabine etwas hören, nicht aber der halbe Stadtteil. 

Das sei zu unsicher, erklärt er. Asphalt könne neben der Ladefläche landen. Das Hupen sei bewährt. Ich denke, der Mann sollte Verkehrsminister werden. Autonom fahrende Autos, Einparkhilfen, automatische Lkw-Bremssysteme, Funkschlüssel wären längst aus Sicherheitsgründen verboten.