© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/19 / 15. November 2019

Wieder ein Patt zwischen Links und Rechts
Spanien: Die vierte Parlamentwahl innerhalb von vier Jahren brachte erneut keine klare Regierungsmehrheit / Große Koalition utopisch?
Wolfgang Bendel

Das Neuwahlergebnis in Spanien erinnert an das Hornberger Schießen: Viel Lärm und am Schluß ist fast alles wie zuvor. Das Stärkeverhältnis zwischen Links und Rechts änderte sich kaum. Die zahlreichen Regional- und Kleinparteien behielten ihre Stärke wie bei den Wahlen im vergangenen April. Innerhalb des rechten Spektrums gab es stärkere Verschiebungen.

Ministerpräsident Pedro Sánchez hatte sich durch den zweiten Urnengang in diesem Jahr klare Mehrheiten erhofft. Zwar wurde seine Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) erneut stärkste Kraft, verlor aber drei Sitze und verfügt nur mehr über 120 der 350 Sitze im Abgeordnetenhaus. Sein potentieller Koalitionspartner, die Linkspartei Unidas Podemos (UP), schrumpfte um sieben auf 35 Abgeordnete. Die UP-Abspaltung Más País (Mehr Land) von Íñigo Errejón erlebte – trotz Teilbündnis mit den Linksgrünen (Equo) – eine Pleite. Ihre drei Mandate können die Verluste von PSOE und UP nicht auffangen.

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums konnten sich die konservative Volkspartei PP und die rechtsgerichtete Vox auf Kosten der schwindsüchtigen Liberalen (Ciudadanos/zehn statt 57 Sitze) deutlich verbessern. Die PP ist jetzt mit 88 Mandataren vertreten. Vox gelang es – wegen des spanischen Wahlrechtes, das die Regionen stärker gewichtet –, ihre Sitze mehr als zu verdoppeln: von 24 auf 52 Abgeordnete. Die Partei von Santiago Abascal, im April erstmals ins Parlament gekommen, ist mit 15,1 Prozent drittstärkste Kraft im Land und damit ein Machtfaktor. In der südöstlichen Mittelmeerregion Murcia und in der nordafrikanischen Enklave Ceuta wurde sie sogar zur stärksten Kraft. Neben der islamischen Zuwanderungsproblematik hat Vox, die klar für einen starken spanischen Zentralstaat ist, auch von den Unruhen im nach Unabhängigkeit strebenden Katalonien profitiert. Die Spanischsprachigen im Nordosten wollen nicht weg von Madrid. Ciudadanos wurde ihr Schlingerkurs bezüglich einer Regierungsbeteiligung zum Verhängnis.

Linkes Minderheitskabinett geduldet von Autonomisten?

Das spanische Patt erklärt sich auch aus der traditionell großen Zahl separatistischer und autonomistischer Parteien: Es gibt beispielsweise 15 linke (ERC-Sobiranistes, CUP-PR) und neun liberale (JxCat-Junts) Abgeordnete aus Katalonien sowie sieben Konservative (EAJ/PNV) und fünf Linke (EH Bildu) aus dem Baskenland. Die Kanarischen Inseln und Navarra an der Grenze zum Baskenland haben jeweils zwei autonomistische Abgeordnete. In der zweiten Cortes-Kammer, dem weniger entscheidenden Senat, setzt sich das Patt fort. Der Versuch, eine Linkskoalition mit Regionalparteien zu basteln, scheiterte schon nach der Wahl im April – warum sollte es diesmal klappen?

Sánchez will es dennoch versuchen. In einer ersten Stellungnahme nach der Wahl gab der 47jährige sich noch – mit Ausnahme von Vox – in alle Richtungen gesprächsbereit: Sein Ziel sei es, „eine stabile Regierung zu bilden“, und er appellierte an die „Verantwortlichkeit und Großzügigkeit“ aller, um die gegenseitige Blockade aufzulösen. Daß dies nicht einfach sein wird, bewiesen seine Anhänger mit Rufen wie „Mit Casado nicht!“ oder „Jetzt ja, aber mit der Linken!“ Der 38jährige Pablo Casado ist PP-Chef, der Partei, mit der eine stabile „Große Koalition“ möglich wäre.

Casado äußerte, daß die PP-Vorstellungen mit denen von Sánchez „unvereinbar“ seien. Allerdings ließ er sich ein Hintertürchen offen, indem er darauf hinwies, daß die PP „ihre Verantwortung wahrnehmen wird“. Santiago Abascal von Vox betonte vor seinen Anhängern, die ihn mit den Rufen „Presidente, Presidente“ empfingen, dieser Wahlsieg sei „die brillanteste und schnellste politische Leistung der spanischen Demokratie“. Wahlverlierer Albert Rivera von den Ciudadanos stellte sein Amt zur Verfügung und schlug einen Sonderparteitag vor, auf dem „alle Entscheidungen, die getroffen werden müssen“, gefällt würden. UP-Spitzenmann Pablo Iglesias Turrión will eine Koalition mit Sánchez, wobei er freilich nicht verriet, woher er die nötigen Stimmen für seine linke Wunschregierung nehmen will.

Wahlergebnisse in Spanien:  resultados.10noviembre2019.es