© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/19 / 15. November 2019

Frisch gepresst

Stalingrad. In akribischer Quellenarbeit hat Reinhold Busch als Herausgeber ein außerordentliches Buch geschaffen. Der Arzt dokumentiert ohne den Anspruch auf abschließende Vollständigkeit die Arbeit der etwa 10.000 Sanitäter und mindestens 600 Ärzte, dazu 120 Rotkreuzschwestern und Apotheker, in dem dreißig bis fünfzig Kilometer breiten Kessel von Stalingrad, der zum Grab der 6. Armee wurde. Wer waren diese Männer, die unter primitivsten Bedingungen, teils nur mit Karbidbeleuchtung, immer geringer werdenden Verbandsmaterialien und Medikamenten, unter ständigem Beschuß, das Leben ihrer Kameraden retteten? Busch läßt sie in Selbstzeugnissen zu Wort kommen, skizziert die Protagonisten in Kurzbiographien und zeigt bisher unveröffentlichte Fotos vom Alltag in den Lazaretten. Busch stellt den Bericht des evangelischen Divisionspfarrers Martin Tarnow den Zeitzeugen-Beschreibungen voran. Ein Satz des Geistlichen beschreibt sehr gut den Stellenwert, den das medizinische Personal für die Frontsoldaten hatte und bis heute noch hat: „Welch ein Licht in der dunklen Nacht des Krieges für jeden Verwundeten: diese flatternde Rotkreuzflagge an einem Verbandsplatz.“ (mec)

Reinhold Busch (Hrsg.): Stalingrad. Die stillen Helden. Das Schicksal der Sanitätseinheiten im Kessel. Ares Verlag, Graz 2019, gebunden, 431 Seiten, Abbildungen, 29,90 Euro





Weltkrieg. Fast 75 Jahre nach dem Waffenstillstand im Mai 1945 sind die meisten Soldaten des Zweiten Weltkriegs heute bereits „zur Großen Armee abberufen“ worden, wie es früher oft pathetisch hieß. Für die Historiker breiten sich nun deren Nachlässe aus, die wie im Fall eines Unteroffiziers der Gebirgsartillerie einen reichen Tagebuchbestand von den Tagen der Mobilmachung 1939 bis zur Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft 1950 offenbaren. Gunter Spraul hat diese alltäglichen Schilderungen des Kampfes des 24jährigen mit dem bemerkenswert passenden 08/15-Namen Franz Müller sorgfältig aufbereitet, so daß der Weg über Polen- und Balkanfeldzug, den Vorstößen im südlichen Rußland bis ins Hochgebirge des Kaukasus ein beinahe exemplarisches Kriegerleben dokumentiert. Nach einer Abkommandierung 1943 als Ausbilder in der Heimat  setzt sich Müllers Krieg 1945 im Osten fort, von wo er die fast sechsjährige Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion antreten muß. (bä)

Gunter Spraul (Hrsg.): Franz Müller. Ein Gebirgsartellerist an der Front und in Gefangenschaft 1939–1950. Verlag Frank & Timme, Berlin 2019, gebunden, 523 Seiten, Abbildungen, 49,80 Euro