© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/19 / 15. November 2019

„Uns rennt die Zeit davon“
Luisa Neubauers Buch „Vom Ende der Klimakrise“ liefert Einblicke in die Gedankenwelt der Klimapaniker
Mathias Pellack

Ganz unten auf dem Cover des Buches von Klimapanikerin Luisa Neubauer und ihrem Mitautor Alexander Repenning steht „Sachbuch“. Zwei Millimeter groß sind die Lettern. Wäre das nicht das übliche Layout des Tropen-Verlags, würde dieser Schriftzug unter dem Titel „Vom Ende der Klimakrise“ – und Achtung Untertitel – „eine Geschichte unserer Zukunft“ verschämt wirken. Geschichten der Zukunft liefen sonst gut im Genre Fiktion – manchmal auch Science-fiction. Nun da die seit 2015 in Göttingen Geographie studierende 23jährige Hamburgerin keine Expertin, sondern eher überdurchschnittlich informierte Laiin ist, böte sich eine solche Einordnung an.

Rot-grünes Manifest der Anti-CO2-Bewegung

Auch Co-Autor Repenning ist kein Wissenschaftler. Laut dem Buch engagiert er sich für „politische Partizipation, Klimapolitik und globales Lernen“. Er schrieb unter anderem für Attac, eine globalisierungskritische Bewegung, welche kürzlich in Deutschland den Status der Gemeinnützigkeit aberkannt bekam – und auf dem Blog Postwachstum.de über „Degrowth, Antiproduktivismus und Anarchie“. Für die Right Livelihood Foundation, den „Alternativen Nobelpreis“, arbeite er daran, „Aktivismus und akademische Welt stärker zusammenzubringen“. Kurz: Repenning ist bestens vernetzter politischer Akteur und begleitet die „Fridays for Future“-Bewegung seit ihrer ersten Stunde. Das Buch nun soll das Manifest der Bewegung sein.

Daß es mehr eine politischen Schrift, denn ein Sachbuch ist, sieht außer den Verlegern und Journalisten jeder der auch nur den ersten Absatz des Textchens vor der Einleitung bis zum Ende liest. „Also nehmen wir die Sache selbst in die Hand und fangen damit an, die Geschichte unserer Zukunft selbst zu schreiben.“ Klar ist: Während die 16jährige Schwedin Greta Thunberg auf großer Bühne den Leuten nur kurz und knapp ins Gewissen redet, folgen hier konkrete Handlungsanweisungen.

Diese formulieren Repenning und Neubauer als Apologeten einer Wissenschaft, die nicht nur neu ist, sondern zuvor ungenutzte Methoden und Techniken nutzt, wie einst die Psychologie unter Sigmund Freud oder die Atomforschung im 20. Jahrhundert. Heute wird die Klimaforschung weltweit staatlich und teilweise auch von reichen Philantropen gefördert – und immer mehr politisch vereinnahmt. Mit ihren millionenteuren Superrechnern und den Vorzeigeprofessoren à la Hans Joachim Schellnhuber und Stefan Rahmstorf gilt sie nicht nur in Deutschland als eine der angeblich innovativsten Wissenschaften.

„Uns fehlt eine Utopie“, klagen die Autoren schon im Titel von Kapitel drei, das wie alle Abschnitte cirka hälftig aus Erzählungen und Anekdoten aus dem reichen Erfahrungschatz der beiden Jungerwachsenen besteht. Das liest sich so: „Ich habe nur eine kurze Frage, ganz schnell. Ein 13jähriges Mädchen kommt zur Bühne und tippt mir, Luisa, auf den Arm. Wir sind in München, es ist Sommer. Gerade habe ich 400 Menschen erklärt, daß alles hoffnungslos aussieht.“

Nach weiterem Text in dem Neubauer ihre zuvor gehaltene Rede feiert, referiert sie die Frage des Mädchens: „ob du dir überhaupt vorstellen kannst, Kinder zu bekommen?“ Neubauer muß schlucken, schreibt sie. Dann wechselt die Textart. Die Schrift ist nicht mehr kursiv. Die Meinung beider Autoren folgt. „Kinder sind die Zukunft.“ Immerhin – jede andere Antwort wäre aus dem Mund des Gesichts von „Fridays for Future“ – der Bewegung, die als Schulschwänzerei begann – auch fehl am Platz.

„Mit welchen Mitteln kommen wir an unser Ziel?“

Nachdem nun die Zukunft grundsätzlich bejaht wurde, folgt ein Ausflug über den Wert des Kommunismus als systematischer Gegenpol zum Kapitalismus, wodurch beide gewonnen hätten – die einen Freiheit, die anderen Gleichheit – über eine kurze Schelte des aufkeimenden Rechtspopulismus zur Schlußfolgerung, daß selbst das Ziel einer Null-Emissionen-Gesellschaft „einen großen Haken hat. (…) Die Frage, mit welchen Mitteln wir ans Ziel kommen, bleibt Gegenstand der Verhandlung.“

Kommen jetzt konkrete Lösungen? Nach weiterem Jammern und Klagen, wie schlimm denn alles sei, propagieren die selbsternannten „Possilibist*innnen“ im fünften der zwölf Kapitel doch eine konkrete Idee. Man solle „Zukunftsverantwortung institutionalisieren“. Beispielhaft nennen sie die Verfassung, die der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán 2011 auf den Weg gebracht hat.

Dort setze sich eine Ombudsperson im Budapester Parlament damit auseinander, ob neue Gesetze auch die Rechte zukünftiger Generationen gewährleisten. Immerhin ist man nach der Abgrenzung nach rechts – die nicht nur in hamburgischen Besserverdienerfamilien nunmal zum guten Ton gehört – doch in der Lage, konkrete Verbesserungsvorschläge aus allen politischen Lagern zu übernehmen. Kapitel sieben behandelt den „Fossilen Kapitalismus“. Auch hier suchen die Autoren weniger nach echten Möglichkeiten, wie man auf den real existierenden Klimawandel oder das weltweite Artensterben reagieren könnte. Im Gegenteil: Sie verurteilen die Möglichkeit, die fairen und gleichen Prinzipen des Marktes auch auf CO2 oder die Natur ganz allgemein anzuwenden.

Streitigkeiten um Grund und Boden können geklärt werden, wenn klar ist, wem er gehört – wer also verantwortlich ist. Der CO2-Emissionshandel ist so ein Instrument. Aber Neubauer und Repenning finden, „es wäre töricht, ihm unser Schicksal anzuvertrauen.“ Denn: „Uns rennt die Zeit davon.“ Neben diesem Argument, das leerer nicht sein könnte, bezeichnen sie die Idee, Naturgüter zu kaufen und zu besitzen schlicht als „absurd“. Mit der Realität wollen die Autoren offenbar nichts zu tun haben.

Zentrales Anliegen ist nicht etwa Argumente vorzubringen, sondern „Dringlichkeit deutlich zu machen, ohne Resignation auszulösen“. Dazu werden die einschlägigen Stichwortgeber wie das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zitiert oder eben kleine Geschichten erzählt. Das Buch ist locker geschrieben und schnell gelesen. Konkrete Vorschläge fehlen leider fast gänzlich.

Eine kleine Anekdote noch: Amazon schloß die Kommentarfunktion kurz nach dem Erscheinen am 16. Oktober, weil die Masse der Bewertungen zu schlecht war. Das Buch wird jetzt zu 63 Prozent mit einem Stern bewertet. Die Mehrzahl der Käufer, die nachweisen konnten, daß sie Geld für das Buch ausgegeben haben, fand das Werk gut. „Dieses Buch zeige“, heißt es auf der Webseite, „weniger die Panik, um damit Geld zu verdienen, sondern reale Panik, welche auch gerechtfertigt ist, wenn man genügend relevante Informationen gesammelt hat.“ Sprich: sachliche Panik.

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Luisa Neubauer, Alexander Repenning: Vom Ende der Klimakrise – eine Geschichte unserer Zukunft. Tropen Verlag, Berlin 2019, 304 Seiten, broschiert, 18 Euro