© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/19 / 15. November 2019

Leserbriefe

Zu: „Zum Tod von Günter Zehm“, JF 46/19

Sprachmächtigster Publizist

Mein Dank für den bewegenden Nachruf von Dieter Stein auf meinen Welt-Kollegen Günter Zehm. Seine vier Jahre Einzelhaft in engster Zelle der SED-KZ Torgau und Waldheim haben sein Leben geprägt. Die dort entstandene Klaustrophobie verfolgte ihn auf Schritt und Tritt. Gleichzeitig aber entwickelte Zehm unbändigen intellektuellen Zorn auf den Stalinismus, insbesondere das SED-Regime. Die Stasi-Machenschaften zu Lasten der inneren Sicherheit (z.B. RAF) der Bundesrepublik hatte er ständig im Blick – genauso wie Herbert Wehner. Aufgrund seiner allumfassenden, geradezu Humboldtschen Bildung und seines ständigen Wissensdurstes wurde er zu einem der sprachmächtigsten Bonner Publizisten, wie Peter Gauweiler treffend bemerkt. 

Man konnte sich lautstark mit Zehm krachen und danach gemütlich mit ihm essen gehen. Eines Tages warf er voller Wut seine Schreibmaschine aus dem vierten Stock des Welt-Gebäudes durchs Fenster auf die Straße – was Axel Springer mit stillem Grinsen kommentierte. Helmut Kohl las Zehms Kolumnen, Leitartikel und Glossen genauso gern wie einige Köpfe in der SPD. Nicht-zu-Ende-Denken war Zehm ein Greuel. Ein Minuten langer Wortschwall schäumte dann gegen „diesen“ Augstein, „diese“ Zeit etc. hernieder. Trotz aller intellektuellen Brillanz trug er nie den erhobenen Kopf. So gab Zehm mir gegenüber gern zu, daß er von Wirtschaft nicht den blassesten Schimmer einer Ahnung hatte. 

Nach Axel Springers Tod waren Charaktere des Konservatismus, wie er sie verkörperte, in der Berliner Kochstraße nicht mehr gefragt. In unserem letzten halbstündigen Telefongespräch löcherte mich Zehm mit endlosen Fragen zum Antisemitismus in der Hamburger Gesellschaft nach 1945. Er mochte partout nicht glauben, was ich dazu in meinem Roman „Max & Consorten“ festgehalten habe. Als ich ihm über die Entnazifizierungsposse des Gastwirts und Berufslügners Alois Hitler in Hamburg berichtete, prustete Zehm minutenlang vor Lachen. „Nicht zu glauben. Nicht zu glauben“, wiederholte er immer erneut. Wir wollten das Gespräch dieser Tage fortsetzen. Schade. Ich hätte ihn gern noch einmal lachen gehört.

Dr. Franz Wauschkuhn, Hamburg




Erste Begegnung 1963 im Buch

Als regelmäßiger Leser seiner Kolumne bin ich tief betrübt über den Tod von Günter Zehm. Erstmals stieß ich auf seinen Namen 1963, als Verwandte von mir das Bändchen „Was ist heute links“ (Herausgeber Horst Krüger) für mich in die DDR einschmuggelten. Der herausragende Beitrag darin war von Günter Zehm und trug den Titel „Die Linken, die Nihilisten und die Intellektuellen“. Besonders beeindruckte mich diese Stelle: „Es wurde klar, daß wir heute im sogenannten ‘trockenen Zeitalter’ leben, wie Karl Mannheim es ausdrückte, in einem Zeitalter, in dem sich alle inadäquaten Ideen, alle Massenaffekte, alle Ideologien und partikulären Utopien, einschließlich der marxistischen, gründlich blamiert haben. Es wurde klar, daß es in der Politik keine alleinige und ausschließliche Wahrheit gibt, die es blindlings messianisch zu verkünden gelte, die es mit allen Mitteln, auch mit denen der Gewalt, durchzusetzen gelte. Es kam an den Tag, daß Politik eine Sache des Experiments ist, stets aufs neue ‘trial and error’, daß es sich bei politischen Systemen um pragmatische Einrichtungen menschlicher Freiwilligkeit handelt (...), damit das menschliche Leben möglichst (...) unberührt vom Gifthauch der Politik, stattfinden kann.“ Beeindruckend für mich waren diese Sätze deshalb, weil, im Gegensatz dazu, die Kommunisten ja nicht nur von sich behaupteten, die Gesetze der menschlichen Gesellschaft entdeckt zu haben, wonach mit naturgesetzlicher Notwendigkeit die Geschichte hin zum Kommunismus führt. Sie verstanden sich zudem als eine Religion, war es doch das Allerhöchste, für den Kommunismus leben und sterben zu dürfen. 

Der Zufall wollte es, daß ich kurze Zeit später auf meiner Arbeitsstelle in Dresden das Zimmer mit einem Kollegen teilte, der ein Schulkamerad von Günter Zehm auf dem Gymnasium war. Natürlich habe ich ihn über Günter Zehm befragt, allerdings war das nicht sehr ergiebig. Danach war Günter Zehm schon in diesen jungen Jahren ein Bücherfresser ohnegleichen, und somit einer, der in einer anderen Welt als seine Mitschüler lebte und dessen Kontakte zu ihnen nicht sehr intensiv waren.

Ludwig Wauer, Dresden




Unsäglicher Verlust

Die traurige Mitteilung über den Tod von Günter Zehm wirkt auf mich wie ein Schock, und sie löste ein unmittelbares Verlustgefühl aus. Dieses Gefühl entlud sich bei mir durch den spontanen Ausruf eines zweisilbigen Begriffes, dessen Abdruck in der JF undenkbar ist, welcher aber mein Entsetzen unverstellt wiedergab. Seine Kolumnen waren die Beiträge, die ich oft zuerst las, weil sie heilsam, klug und lehrreich waren und weil sie mit wohltuendem sprachlichen Pfiff Einsichten, Hintergründe sowie verblüffende Zusammenhänge vermittelten. Natürlich wünsche ich mir, daß die Kolumne fortbesteht und daß dafür ein würdiger Nachfolger oder eine ebensolche Nachfolgerin gefunden wird. 

Lutz Werner, Dresden






Zum Schwerpunktthema: „Angst vor der freien Meinung“, JF 45/19

Gottloser Opportunismus

Zur Kaiserzeit galt noch der Grundsatz: „Wir Deutsche fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt.“ Das ist lange vorbei. Schade!

Winfried Büttner, Bosbüll






Zu: „Die CDU sitzt in der Falle“ von Dieter Stein, JF 45/19

Vorbild AfD-Bundestagsfraktion

Ihren hervorragenden Leitartikel zum Zusammenbruch des alten Parteiensystems nach der Thüringenwahl würde ich gerne um folgende Anmerkungen ergänzen: Eigentlich sitzt nicht die CDU in der Falle, sondern die AfD. Warum? Die Menschen wählen und wählen die Alternative, bekommen tun sie aber das Gegenteil von dem, was sie wollen: Ein „Weiter so“ der verheerenden Politik der Altparteien, die sich noch fester zusammenschmieden. Es besteht die Gefahr, daß die Wähler resignieren, weil sie das Gefühl haben, daß alles keinen Wert hat. Das wäre verhängnisvoll! Hier einige Vorschläge, wie das zu verhindern wäre: 

Erstens muß es der AfD möglichst bald gelingen, dreißig bis vierzig Prozent der Wähler zu überzeugen. Dazu müssen sich die führenden AfD-Herren vor allem in den Landesverbänden endlich zusammenreißen, ihr Ego und ihre ewigen Steitereien hinten anstellen und das gemeinsame politische Anliegen in den Vordergrund stellen. Parteidisziplin und Mut, wie von den bewundernswerten Bundestagsabgeordneten gezeigt wird. 

Zweitens muß es endlich gelingen, den Elefanten im Raum, die unbegrenzte Migration und ihre verheerenden Folgen für die Bevölkerung, sichtbar zu machen. Dazu sollte eine Webseite „Migration“ aufgebaut werden, die nichts anderes enthält als Fakten und Statistiken (also Kosten, Kriminalitat und was Statistikämter gerne verschleiern möchten). Keine Meinungen und Kommentare außer zur sachlichen Erläuterung, so daß sie von allen Seiten nutzbar wäre. Hierzu ein Beispiel: Die britische Öffentlichkeit erschrak, als bekannt wurde, daß, nähme man alle Schreibweisen des arabischen Vornamens „Mohammed“ zusammen (Muhammed, Muhammad etc.), der Name auf Platz 1 der Vornamen für männliche Neugeborene ist in England und Wales. Das hatte das Office for National Statistics (ONS) jahrelang durch getrennte Aufführung verstecken wollen. 

Drittens muß im Interesse des Rechtsstaates unbedingt verhindert werden, daß Bürger zur Selbstjustiz greifen, weil sie sich von der Polizei nicht ausreichend beschützt fühlen. Auch hier ein Beispiel aus meiner Heimat: Am 17. Oktober haben Pendler in der Tube-Station Canning Town zwei Extinction-Rebellion-Aktivisten vom Dach eines Zuges gezogen und (einen davon) wütend attackiert. Nachdenklichkeit in der Öffentlichkeit. Ein deutsches Gegenbeispiel: Hochzeiten auf der Autobahn. Hilflos und wütend schauen alle zu. Noch ... Warum kann die Polizei nicht einfach die ganze Hochzeitsgesellschaft in einen Mannschaftswagen verfrachten und zur Personalienfestellung aufs nächste Revier bringen, während die Fahrzeuge kostenpflichtig abgeschleppt werden? Das würde zeigen, auf welcher Seite die Ordnungskräfte stehen. Und daß man sich nicht auf der Nase herumtanzen läßt.

Jacqueline A. Henley, Schwäbisch Hall






Zu: „Lärm der geistig Armen“ von Werner J. Patzelt, JF 45/19

Restle gibt uns noch den Rest

Die Vorgänge um Professor Lucke sind skandalös und einer Demokratie unwürdig! Und wenn Georg Restle (Politikmagazin „Monitor“) diese bei „Maischberger“ offensichtlich noch verteidigt, dann „ist etwas faul im Staate Dänemark“. An anderer Stelle beklagte Lucke, daß unser Land an Feigheit krankt. Wenn die Allensbach-Studie feststellt, daß fast zwei Drittel der Bevölkerung der Überzeugung sind, man könne hierzulande seine Meinung nicht mehr frei vertreten, dann ist das mehr als alarmierend, zumal selbst führende Politiker der sich allein für demokratisch haltenden Parteien diese Ansicht durch vorschnelle Rufe nach dem Verfassungsschutz befeuern. 

Nur weil ich als Pfarrer und Kirchengeschichtler den Islam kritisiere, macht mich die regionale Presse zum „Islamfeind“ und „umstrittenen Theologen.“ Als ich vor kurzem im Nachbardorf abends eine AfD-Veranstaltung verließ, umringte mich außerhalb der Polizeiabsperrung – daß es diese überhaupt geben muß, ist schon ein Skandal – ein schreiender Mob, der mir das Weitergehen versperrte und Schläge androhte. Es gelang mir dennoch, wenn auch nur mit körperlichem Einsatz, ins Freie zu gelangen. Der Schrei „Dich Schwein kriegen wir noch“ hallte dann nach. 

Hier ist immer wieder an den ehemaligen Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Klaus von Dohnanyi (SPD), zu erinnern, der bereits vor Jahren („Hat uns Erinnerung das Richtige gelehrt?“, 2002) die „Einschüchterung“ bei deutschen Debatten durch die „allzu mächtige Political Correctness“ beklagte. Nichts sei heute wichtiger als „ein Klima offener und breiter Meinungsfreiheit“, da diese „das Fundament der Demokratie“ bilde. Offene Meinungsfreiheit habe daher auch „extreme Abweichungen“ zu tolerieren. Erst aus dem politischen Streit darüber erwüchsen Mut und Kreativität, denn „Zivilcourage wächst und zählt nur in der Praxis.“ Die Vertreter des AStA und leider auch der Universitätspräsident sowie die Wissenschaftssenatorin in Hamburg haben Dohnanyis Frage weder begriffen noch beherzigt. Sie sind die Totengräber unserer Demokratie.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Karl-Heinz Kuhlmann, Pastor i.R., Bohmte






Zu: „Mitgliederentscheid über SPD-Vorsitz / Eines ist sicher“ von Kurt Zach, JF 45/19

Genossen, wählt Thilo Sarrazin

Wenn es ständig immer nur bergab geht, hilft oft nur eine Drehung um 180 Grad. Also, liebe Genossen, Genossinnen und Genossiche, wählt Thilo Sarrazin zu eurem Vorsitzenden!

Klaus Buchwald, Augsburg






Zu: „‘Ich spreche für viele meiner Kollegen’“ von Björn Harms, JF Nr. 45/19

Betriebsrat mit „Blockwart“

Am 21. November 2018 verkündete die Betriebsratsvorsitzende von Roche-Mannheim, Brigitte Bauhoff, vollmundig in der örtlichen Presse: „Wir vertrauen unseren Mitarbeitenden“. Letztere sollten weder ihr noch den übrigen Mitgliedern dieses zum „Blockwart“ verkommenen Betriebsrates Vertrauen entgegenbringen. Besonders dann nicht, wenn sie eine politische Einstellung haben oder sich für eine Partei einsetzen, die diesen Demokratie-Heuchlern nicht genehm ist. Der Umgang mit Rainer Huchthausen ist Mobbing in Reinform. Das Verhalten und die Entscheidungen des Betriebsrates und auch des Integrationsamtes gehörten unbedingt von einem Arbeits- oder Sozialgericht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft. Die Gründungsväter (auch Frauen) von Gewerkschaften zahlten oft für ihren Einsatz einen hohen Preis. Sie würden sich im Grabe umdrehen, müßten sie diese niederträchtigen gewissenlosen Opportunisten erleben, die sich heute „Gewerkschafter“ nennen.

Barbara Kanwischer, Braunschweig




Wirksame Gegenanzeige

Den ärztlichen Kollegen zur Nachahmung empfohlen: keine Produkte von Roche mehr verschreiben, keine Pharmareferenten von Roche mehr empfangen.

Dr. Hartmut Heinlein, Eschershausen






Zu: „Die Phantastereien der ‘erneuerbaren Wärme’“ von Marc Schmidt, JF 43/19

Ideologen statt Ingenieure

Dank für diese Darstellung über die Substitution der Ölheizungen durch Wärmepumpen. Die Umweltfanatiker sind ja zu dämlich, sich mit Zahlen zu befassen, sonst wären sie damit bloßzustellen. In der Tat ist der ingenieurgetriebene Fortschritt heute zur Ideologieveranstaltung verkommen. Banales Zahlenwerk, wie Sie es präsentierten, müßte doch jedem Bundestagsabgeordneten vorliegen, besonders auch dem Wirtschaftsministerium. Und haben wir nicht eine Kanzlerin mit naturwissenschaftlicher Ausbildung? Gestatten Sie hier noch eine Anmerkung: Sie haben die Beurteilung nur an Hand der Energiebilanz vorgenommen, was den Strommehrverbrauch von 80 TWh ergibt. Tatsächlich wird Heizöl, wie es der Name sagt, zu circa 80 Prozent in der kalten Jahreszeit „verheizt“. Somit ist eine viel höhere Leistung vorzuhalten. Eine Kältewelle mit -15 Grad Celsius eine Woche lang wäre damit noch gar nicht abgedeckt. Die Verabschiedung von Öl- und schließlich auch Gasheizungen ist Ignoranz in höchster Alarmstufe, besonders bei einer nördlichen Zivilisation auf Höhe des 50. Breitengrads.

Dipl.-Ing. Manfred Müller, Niedernhausen/Taunus