© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/19 / 22. November 2019

Tino Chrupalla. Wird er auf dem Bundesparteitag Gaulands Nachfolger als AfD-Chef?
Der Kronprinz
Paul Leonhard

Nach zwei Jahren im Deutschen Bundestag hat der Görlitzer Abgeordnete Tino Chrupalla den Politsprech drauf: „Wenn ich dazu aufgefordert werde, dann werde ich mich der Verantwortung nicht entziehen.“ Den Anspruch auf das Amt eines der beiden AfD-Parteivorsitzenden so nach außen zu tragen, zeigt eine gewisse Chuzpe und kündet vom nicht geringen Selbstvertrauen des Malermeisters aus dem schlesischen Ostsachsen.

Wer wissen will, worauf es beruht, muß nach Krauschwitz fahren, wo er aufgewachsen ist, oder nach Gablenz, wo er mit Frau und Kindern wohnt. Die nahe Grenze zu Polen war jahrzehntelang hermetisch abgeriegelt, jetzt ist sie völlig ungeschützt. Hier wählten die meisten CDU, bis die Asylkrise deren Deutsche-Einheit-Bonus aufgebraucht hat. 

Geboren 1975 in Weißwasser, engagiert er sich als 15jähriger gemeinsam mit Michael Kretschmer, heute Ministerpräsident, in der Jungen Union Niederschlesien. Dann trennen sich die Wege. Chrupalla machte Zivildienst, besucht eine Malerschule, gründete einen Betrieb mit heute sieben Mitarbeitern. Statt weiter in der Politik engagierte sich der Unternehmer im Sportverein, was ihm immer noch anzusehen ist. Doch als Steuern, Mindestlohn, Umweltgesetze, Arbeits- und Kündigungsschutz sowie EU-Richtlinien das Wirtschaften immer mehr erschwerten, wurde er erneut aktiv: Der CDU-Wähler fuhr zu Pegida und trat 2015 der AfD bei. Für die gelang es ihm bei der Bundestagswahl 2017, seinem ehemaligen Parteikollegen Kretschmer, mittlerweile CDU-Landeschef, den Wahlkreis abzunehmen, was ihm deutschlandweit Aufmerksamkeit brachte. Linke schmierten daraufhin Hakenkreuz und Antifazeichen an sein Einfamilienhaus. 

Dennoch zog Chrupalla voller Vorfreude auf einen respektvollen Meinungsaustausch in den Bundestag ein. Daß dort nicht einmal einfachste Anstandsregeln gelten, gehört zu seinen ersten Erfahrungen: AfD-Kollegen wird oftmals der Handschlag und sogar der Tagesgruß verweigert. In der Fraktion wurde Chrupalla einer von fünf Vizevorsitzenden, was er vor allem nutzt, um der Landesgruppe Sachsen Gehör zu verschaffen. Er versteht es, sich nach allein Seiten zu vernetzen, ohne jemanden zu verletzen. Fleißig und praktisch, eben ganz Handwerker, wäre er geradezu der ideale Politiker – wäre da nicht mitunter dies zynische Zucken um seine Mundwinkel.

Kommt es auf dem Bundesparteitag in Braunschweig ab 30. November tatsächlich wie manche vermuten? Demnach erwägt Alexander Gauland, sich künftig ganz der Führung der Fraktion zu widmen und nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren. Sein Platz in der Doppelspitze wäre frei und Chrupallaa, wie es heißt, sein Wunschnachfolger. Dessen Wahl wäre auch ein Signal für Mitteldeutschland.