© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/19 / 22. November 2019

Annegret und ihr Adjutant
Parteitag I: Ob Spin-Doktoren oder Strippenzieher – in der CDU kommt es auf viele an, die nicht in der ersten Reihe stehen
Hinrich Rohbom

Sie gelten nicht selten als die wahren Macher von Politik. Doch statt auf der Brücke des Parteischiffes operieren sie im verborgenen Maschinenraum. Spin-Doktoren, Referenten und Berater. Nach dem Abgang von Angela Merkel auf der Kommandobrücke und der Übernahme des Steuers durch Annegret Kramp-Karrenbauer ist ein Kampf um das Machtzentrum der CDU entbrannt. 

Schon seit knapp zwei Jahren gilt Nico Lange als die rechte Hand von „AKK“. Seit die heutige CDU-Bundesvorsitzende ihn im Dezember 2017 in die Staatskanzlei des Saarlandes holte. Sogar ein ganz neuer Posten wurde dazu für den gebürtigen Berliner erschaffen: Der eines „Bevollmächtigten für Innovation und Strategie“. Doch auf dieser Stelle sollte er nicht lange verharren. Als AKK zwei Monate später CDU-Generalsekretärin wurde, geht Lange mit ihr nach Berlin, wird stellvertretender CDU-Bundesgeschäftsführer. Der weitere Aufstieg des 44jährigen warf bereits seine Schatten voraus, als AKK im Dezember 2018 zur CDU-Bundesvorsitzenden gewählt wird. Der Plan: Nico Lange sollte als Nachfolger von Klaus Schüler zum CDU-Bundesgeschäftsführer ernannt werden. Mit anderen Worten: zum Verwaltungschef des Konrad-Adenauer-Hauses. Und damit zum Chef-Apparatschik der Christdemokraten. Mit diesem Schachzug hätte die neue CDU-Chefin die Kontrolle über den Maschinenraum errungen. 

Die Partei nach ihrem     Gusto umgestalten

„Den Posten mit einem ihrer engsten Vertrauten zu besetzen, hätte aus ihrer Sicht natürlich Sinn gehabt“, erzählt ein CDU-Insider der JUNGEN FREIHEIT:  „Jede Kommunikation innerhalb der Partei wäre damit über den Schreibtisch von Nico Lange gelaufen.“ Und nicht nur das. „Wer die Kontrolle über die Bundesgeschäftsstelle hat, der hat auch die Kontrolle über die Parteitagsregie“, ergänzt ein Mitarbeiter des Adenauer-Hauses, der namentlich nicht genannt werden will. „Er hat die Übersicht darüber, wer als Delegierter auf dem Bundesparteitag dabei sein wird. Er weiß, welcher Delegierte verhindert ist und kennt die Ersatzdelegierten.“ In der Merkel-Ära habe man im Adenauer-Haus Analysen über jeden einzelnen von ihnen vorliegen gehabt, wußte, wer sich der Kanzlerin gegenüberloyal verhält, wer ihr kritisch gegenüber steht und wer ein unsicherer Kantonist ist.“ Nur zu verständlich, daß auch AKK die Kontrolle über dieses Wissens- und Machtzentrum erringen wollte.

Doch ihr Plan, Nico Lange auf dieser Schlüsselposition zu installieren, scheiterte. Verantwortlich dafür war vor allem er selbst. Nach der verheerenden Niederlage bei der Europawahl am 27. Mai dieses Jahres erklärte der studierte Informatiker und Kommunikationswissenschaftler ausgerechnet die Junge Union zum Verantwortlichen für das Wahldesaster. Deren „rechter“ Kurs habe der Mutterpartei geschadet. Beim Unionsnachwuchs kam das gar nicht gut an. Als „AKK“, der ohnehin ein unterkühltes Verhältnis zum JU-Bundesvorsitzenden Tilman Kuban nachgesagt wird, ihren Vertrauten für das Amt des Bundesgeschäftsführers vorschlagen will, stellt sich schließlich nicht nur die JU quer. Das Ergebnis: Mit Stefan Hennewig wird ein Kompromißkandidat für das Amt des Bundesgeschäftsführers gefunden, Lange darf nur als dessen Vize fungieren. 

„Das war vielleicht schon der Anfang vom Ende für Annegrets Kanzlerkandidatur“, unkt bereits mancher CDU-Funktionär hinter vorgehaltener Hand. Lange gilt im Berliner Politikbetrieb als gut vernetzt, arbeitete elf Jahre lang in verschiedenen Funktionen für die Konrad-Adenauer-Stiftung. Unter anderem als Leiter des Auslandsbüros in der Ukraine. Der ehemalige Profiboxer und heutige ukrainische Politiker Vitali Klitschko lobte ihn damals als einen der „Brückenköpfe in den Westen“. Zugleich ist Lange, der vor seiner Zeit bei der Adenauer-Stiftung als Lehrbeauftragter an der Fakultät für internationale Beziehungen der Universität St. Petersburg tätig war, kurioserweise auch als Redakteur für das als prorussisch geltende Eurasische Magazin tätig. Mittlerweile ist der ehemalige Zeitsoldat seiner Chefin auch ins Verteidigungsministerium gefolgt, wo er ihrem Leitungsstab vorsteht.

Zudem gehörte er der vom damaligen CDU-Generalsekretär Peter Tauber, Jens Spahn und Peter Altmaier maßgeblich geleiteten CDU-Reformkommission „Meine CDU 2017“ an, die die Partei „jünger, bunter und weiblicher“ machen wollte. „Drei kinderlose Junggesellen an der Spitze einer solchen Kommission. Das konnte nur scheitern. Es gibt nicht eine Wahl, die wir dadurch gewinnen konnten“, bringt ein in der Partei gut vernetzter leitender Mitarbeiter einer CDU-Landesgeschäftsstelle seinen Ärger über diese „Experimente“ zum Ausdruck. Vor allem die „Homo-Lobby“ und „Grünen-Versteher“, die innerhalb des CDU-Apparates und außerhalb der Partei als Polit- und Kommunikationsberater wirkten, hätten bei dem Projekt ihre „Wunschvorstellungen“ eingebracht, „um die CDU nach ihrem Gusto zu gestalten.“ 

Als Vorzeigefrau für diese Wunschvorstellungen hätten „merkeltreue Referenten“ vor allem Diana Kinnert „gepusht“, und „versucht, sie in den Medien als neues Gesicht der CDU zu verkaufen.“ Weil Kinnert viele dieser Wünsche in sich trägt. Jung, weiblich, lesbisch, mit Migrationshintergrund; eine, die von sich behauptet, konservativ zu sein und unternehmerisch aktiv ist. Als Geschäftsführerin der „newsgreen GmbH“, die sich selbst als „Nachrichtenplattform für grüne Innovationen und Technologien“ bezeichnet. Klar, daß auch die heute 28jährige nicht in der Reformkommission fehlen durfte.

Antreiber von außen ist dabei nicht zuletzt Axel Wallrabenstein. Der Geschäftsführer der MSL Group Germany GmbH, einem auf strategische Kommunikation spezialisierten PR-Unternehmen, ist wohl einer der einflußreichsten Berater der CDU. Der ehemalige Bundesgeschäftsführer der Jungen Union gilt als leidenschaftlicher Unterstützer des Linkskurses von Angela Merkel. CDU-Kenner zählen auch ihn zur „Homo-Lobby“. Mitte der neunziger Jahre arbeitete er als Pressesprecher für den damaligen sächsischen Innenminister Heinz Eggert, der seinerzeit nach Vorwürfen, er habe männliche Mitarbeiter sexuell belästigt, sein Ministeramt aufgegeben hatte. Angeblich soll Eggert damals Opfer einer Intrige geworden sein. Deren Urheber vermuteten Unions-Insider im Umfeld des Ministers.