© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/19 / 22. November 2019

Ländersache: Baden-Württemberg
’S Ländle hat Husten
Michael Paulwitz

Wer „beim Daimler“ schafft, gehörte in Stuttgart, wie die Porsche- und Bosch-Werker, zum Arbeiteradel: Sicherer Job, besser bezahlt als beim Staat, dazu üppige Jahresprämien, mit denen sich das Eigenheim per Sondertilgung wie von selbst bezahlt. Das stolze „Halt dein’ Gosch, ich schaff’ beim Bosch“ hört man in der Schwabenmetropole schon länger nicht mehr. Jetzt ziehen auch über dem ehedem „guten Stern auf allen Straßen“ dunkle Krisenwolken auf.

Der neue Daimler-Chef Ola Källenius geht ein halbes Jahr nach Amtsantritt mit dem Kärcher durch die Führungsetagen: Um 1,4 Milliarden Euro müssen die Personalkosten bis 2022 sinken, hat der Schwede verkündet. Die erwartete Umsatzrendite ist deutlich nach unten korrigiert, üppige Vorstandssausen, Formel-1-Ausflüge und aufgeblähte Aufsichtsgremien bei den zahlreichen Tochterfirmen werden eingedampft.

Da geht es natürlich auch um die Macht im Konzern: Källenius befreit sich damit vom Schatten seines Vorgängers. Daß der viele Jahre gefeierte Vorstandschef Dieter Zetsche demnächst wie selbstverständlich als Aufsichtsratsvorsitzender seinem Nachfolger im Nacken sitzt, halten Analysten nach diesem De-facto-Denkmalsturz für ausgeschlossen. Im Zetsche-Lager murrt man bereits vernehmbar von einem „Dolchstoß“.

Die Konzernzahlen geben Källenius allerdings recht. Sowohl gemessen an der Dax-Entwicklung als auch am Wachstum des Börsenwertes der Hauptkonkurrenten BMW und Volkswagen/Audi ist die baden-württembergische Premium-Marke in den letzten zehn Jahren deutlich zurückgefallen. „Underperformer“ – „Minderleister“ – droht das Verdikt der Finanzinvestoren, die auch Daimler zunehmend in der Hand haben. 

Der Konzern steckt nicht zum erstenmal in der Krise. Nachdem die politisierenden Luftikusse Edzard Reuter und Jürgen Schrempp Milliarden für ihre „Weltkonzern“-Flausen und die gescheiterte Chrysler-Fusion verbrannt hatten, hat Zetsche das Unternehmen wieder als soliden Premiumhersteller aufgestellt und glücklich durch die Finanzkrise gesteuert. 

Zetsche verließ sich noch darauf, daß die Politik im Zweifelsfall schon ein Auge zudrückt, bevor sie die Autoindustrie, an der das wirtschaftliche Wohl des ganzen Landes hängt, dem ideologischen Grenzwerte- und Klimawahn opfert. Damit ist spätestens seit der politisch hochgespielten Diesel-Krise Schluß. „Mit den strengen CO2-Emissionswerten der EU ist die Stunde der Wahrheit gekommen“, sagt Källenius unverblümt, und: „Die Kostenbelastungen zur Erreichung der CO2-Ziele erfordern umfassende Maßnahmen zur Effizienzsteigerung.“ Im Klartext: Jetzt muß auch Daimler Elektroautos in Serie bauen, die sich nicht rechnen und die ohne Subventionen auch keiner kauft. Das kostet viel Geld, das an anderer Stelle fehlt. 

Solange zuerst in den Führungsetagen ausgemistet wird, weil die Belegschaften bis ins nächste Jahrzehnt noch weitgehenden Kündigungsschutz genießen, haben die Daimler-Werker Schonfrist. Zur Euphorie besteht dennoch kein Anlaß: Wenn Daimler hustet, hat der ganze Südwesten Schnupfen. Und wenn die Elektro-Planwirtschaft den Autobauern dauerhaft das Geschäft kaputtmacht, ist es auch mit dem Wohlstand des Arbeiteradels schnell vorbei.