© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/19 / 22. November 2019

Am Ziel vorbeigeschossen
Waffenrecht: Schützenverbände und Teile der Opposition kritisieren Horst Seehofers geplante Verschärfungen / „Kein Generalverdacht gegen rechtstreue Bürger“
Christian Vollradt

Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist“, lautet das berühmte „Erste Strucksche Gesetz“, benannt nach dem verstorbenen SPD-Politiker Peter Struck. Ob das freilich im Hinblick auf die gesetzlichen Neuerungen eine Verbesserung oder eine Verschlechterung bedeutet, liegt im Auge des Betrachters. So hoffen derzeit Millionen von Schützen und Jägern, daß die Pläne von Bundes-innenminister Horst Seehofer (CSU), das Waffengesetz erneut zu verschärfen (JF 46/19), nicht eins zu eins den Bundestag so verlassen, wie sie eingebracht wurden.  Bei einer Anhörung im Innenausschuß des Bundestags brachten ihre Vertreter vergangene Woche noch einmal die Bedenken zur Sprache. Kein Land außer Deutschland habe in Folge der EU-Feuerwaffenrichtlinie die Regelungen zum Erwerb und Besitz von Schußwaffen für Schützen verschärft, erwähnte der Präsident des Bundes Deutscher Sportschützen, Friedrich Gepperth. Ebenfalls einzigartig sei das ausnahmslose Verbot großer Magazine, durch das bestimmte Wettbewerbe hierzulande nicht mehr stattfinden könnten. Für nahezu unerfüllbar halten die Schützen die im Entwurf geforderten 18 Schießtage im Jahr – für jede Waffe. Kaum jemand könne soviel Zeit in sein Hobby investieren. 

Die AfD-Fraktion nennt denn auch die Seehofer-Pläne eine „überzogene Umsetzung“ der EU-Feuerwaffenrichtlinie, auch wenn der Innenminister das Gegenteil behauptet. In einem eigenen Antrag mit dem Titel „Für ein Waffengesetz mit Augenmaß“ plädiert sie für eine „sehr kritische Überprüfung“ der geplanten Verschärfungen und weist den „Generalverdacht gegen legale Waffenbesitzer“ zurück. „Das deutsche Waffengesetz ist bereits jetzt weltweit eines der strengsten“, hebt der stellvertretende innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Martin Hess, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT hervor. „Die geplanten Verschärfungen bieten keinerlei Sicherheitsgewinn. Anstatt die Auflagen für Besitzer legaler Waffen zu erhöhen, müßten die Innenminister schärfer gegen Handel und Herstellung illegaler Waffen vorgehen – da liegt der Kern des Problems“, ist Hess überzeugt. Vehement wendet sich die AfD vor allem gegen die geplante alle Waffenbesitzer betreffende Regelanfrage beim Verfassungsschutz. „Statt über 600 Erlaubnisbehörden nach Extremisten unter den Waffenbesitzern suchen zu lassen, sollten die Verfassungsschutzbehörden gesetzlich verpflichtet werden, die ihnen bekannten gewaltbereiten Extremisten im Nationalen Waffenregister zu suchen und von sich aus auf die zuständige Waffenbehörde zuzugehen“, fordert die Fraktion in ihrem Antrag. 

Für die Grünen gehen die Verschärfungen dagegen noch nicht weit genug, insbesondere mit Blick auf die Ermordung des ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und der Attentate von Halle. Zur Anhörung hatten sie den Journalisten Andreas Speit geladen. Der teilte mit, in der rechtsextremen Szene diskutiere man vermehrt über Bewaffnung und suche daher „Kontakte zu Schießsportvereinen ebenso wie zu Polizei und Bundeswehr“. Sowohl unter „besorgten Bürgern und Rechts-intellektuellen“ gebe es einen „Drang zu handeln“. 

Dem AfD-Abgeordneten Hess leuchtete das nicht ein: „Herr Speit hat ohne jede waffenrechtliche Expertise Zusammenhänge konstruiert, die er nicht belegen konnte. Die Fälle Lübcke und Halle hätten sich mit dem neuen Waffengesetz gerade nicht verhindern lassen.“