© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/19 / 22. November 2019

Gigafactory im märkischen Sand
Autoindustrie: Tesla-Chef Elon Musk kündigt Fertigung des SUV-Modells Y im Land Brandenburg an
Paul Leonhard

Sorgt ein US-Milliardär jetzt für den Durchbruch der E-Autos in Deutschland? Glaubt man dem „Autopapst“ Ferdinand Dudenhöffer, dann nimmt durch die Ankündigung von Elon Musk, eine Tesla-„Gigafactory“ bei Berlin bauen zu wollen, „die Elektromobilität mehr Fahrt auf als bei hundert Gipfeln im Kanzleramt“. Die Investition sei auch eine „gute Nachricht für VW, Daimler und BMW“ sowie den Autostandort Deutschland, weil Wettbewerb immer dafür sorge, „besser und schneller zu werden“, so der BWL-Professsor, der an der Uni Duisburg-Essen das Center Automotive Research (CAR) leitet.

Dabei erinnert das Ganze stilistisch an Donald Trump: Anläßlich der Verleihung des „Goldenen Lenkrads 2019“ von Auto-Bild und BamS verkündete Musk seinen neuen Deal: Das kleine SUV-Modell Y sowie Batterien und Antriebe sollen künftig auf einem 300- Hektar-Grundstück in der märkischen Gemeinde Grünheide vom Band laufen – und zwar bereits ab Ende 2021.

Ein „vorgezogenes Weihnachtsfest“?

Zudem soll Berlin ein europäisches Design- und Entwicklungszentrum erhalten – weil Deutschland „großartige Autos“ baue, so der aus Südafrika stammende kalifonische Geschäftsmann. Dabei war der 48jährige früher der Ansicht, daß England großartige Autos baue. Das Brexit-Chaos habe Musk dann umgestimmt, berichtet der Auto Express. Das Handelsblatt vermutet, daß sich Musk, der bei der Standortwahl das letzte Wort hatte, für Berlin entschieden habe, weil ihm die „Metropole ein Begriff gewesen sei – anders als die Alternativen im Norden oder im Saarland“.

Selbst unter grünen Autofeinden ist nun das Tesla-Fieber ausgebrochen. Bei Facebook und Twitter wird der „Visionär Musk“ von Fans (#WelcomeTesla) in den Himmel gehoben. Von einem „vorgezogenen Weihnachtsfest“ schwärmt Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB). Die Berliner Wirtschaftsverwaltung rechnet mit 6.000 bis 7.000 neuen Arbeitsplätzen und spekuliert über weitere Firmenansiedlungen.

Aber wieviel Geld will Tesla wirklich investieren? Welche Steuergelder fließen als Anschubfinanzierung? Hat sich Tesla für die vom Bundeswirtschaftsministerium bereitgestellte Fördermilliarde Euro für E-Auto-Akkus beworben? Auch die von Brandenburg versprochenen EU-Beihilfen sind nicht sicher und fließen gegebenenfalls erst 2021: „Das ist kein Geld, mit dem wir gewunken haben und was die Entscheidung beeinflußt hat“, versichert der brandenburgische Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD).

Kann der ehrgeizige Zeitplan der Amerikaner eingehalten werden? Tesla müsse „die Unterlagen so vollständig und hoch qualitativ einreichen, daß auch eine schnellstmögliche Prüfung gegeben ist“, mahnt Steinbach, der Professor für Chemieanlagen ist, und bis 2014 Präsident der TU Berlin war. Musk scheint optimistischer zu sein, schließlich hat er die Tesla-„Gigafactory 3“ in Schanghai in nur zehn Monaten Bauzeit aus dem Boden gestampft und von Chinas Industrieministerium die Genehmigung für den Produktionsstart erhalten. Produziert werden sollen die Modelle 3 und Y.

Undurchsichtig bleibt das Finanzierungsmodell der 2003 gegründeten Firma. Wie liquide ist der Elektroautobauer wirklich? „Für viele Investoren ist die Tesla-Aktie eine Glaubensfrage“, schreibt das Handelsblatt. Die von Tesla aufsummierten Verluste würden „eine eigene Sprache“ sprechen, findet der Münchner Unternehmer Erich Sixt, Chef des größten deutschen Autovermieters: „Teslas Zukunft sehe ich persönlich sehr skeptisch.“

Ein Autoexperte der Schweizer UBS hat analysiert, wie Tesla etwa im dritten Quartal 2016 Gewinne erzielt hat: Es wurden „Zero Emission Vehicles Credits“ (ZEV) für 139 Millionen Dollar verkauft. Diese hat Tesla vom Bundesstaat Kalifornien erhalten, weil es „CO2-freie“ Autos verkauft. Die ZEV wurden an Benzinauto-Hersteller weiterverkauft, weil denen ansonsten in Kalifornien Strafzahlungen drohen. Ohne die ZEV hätte Tesla nicht 71 Cent pro Aktie Gewinn, sondern einen Verlust von 18 US-Cent pro Aktie ausgewiesen. Diese Idee hat die EU kopiert: Ab 2020 drohen BMW, Mercedes, Renault VW & Co. bei einem Flottendurchschnittsverbrauch von über 95 Gramm CO2 pro Kilometer (3,6 Liter Diesel bzw. 4,1 Liter Benzin pro 100 Kilometer) ebenfalls Strafzahlungen – wenn nicht als „Ausgleich“ E-Autos verkauft werden.

„Eine große Ehre, aber auch eine große Verpflichtung“

Im dritten Quartal 2019 hat Tesla wieder einen Gewinn von 143 Millionen Dollar vermeldet. Mit einem Börsenwert von mehr als 57 Milliarden Dollar hat Tesla General Motors (GM/53 Milliarden Dollar) überholt. GM verbuchte acht Milliarden Dollar Gewinn und verkaufte 2018 8,4 Millionen Autos, Tesla 245.162. Im Frühjahr hatte Tesla 2,7 Milliarden Dollar von Investoren eingeworben, mit denen zehn Monate Zeit bleiben, die Gewinnschwelle zu überschreiten. „Tatsächlich hat Musk zuletzt geliefert und den Zweiflern gezeigt, daß er auch profitabel produzieren kann“, konstatiert das Handelsblatt.

Doch der Absatz wird für Tesla schwieriger, weil Autoriesen mit größerer Erfahrung in der Logistik und der Massenproduktion wie VW zusätzlich auf E-Autos setzen. Auch wenn sich VW-Chef Herbert Diess gegenüber Musk mit „Ich danke Ihnen dafür, daß Sie uns antreiben“, andienerte, sehen die deutschen Autohersteller das angekündigte Tesla-Engagement zwiespältig. So hält es Dieter Zetsche für falsch, auf eine einzige E-Technologie zu setzen. Dafür verändere sich der Markt für Batterien zu schnell, so der Ex-Daimler-Chef auf einem Vortrag in Frankfurt am Main. Die gigantische Batteriefabrik von Tesla in Nevada würde er nicht haben wollen. VW hat angekündigt, daß die gemeinsame Batteriezellenfertigung mit der schwedischen Firma Northvolt in Salzgitter nur eine Übergangslösung sei.

Musk sei vor allem „gut im Sprüchemachen“ bescheinigt Unternehmerkollege Sixt dem Tesla-Chef. Eine Neigung zu impulsiven Ankündigen sieht auch das Internetportal Business Insider: „Würde man alles ernst nehmen, was Musk so verlautbart, dann wäre Tesla mittlerweile nicht mehr an der Börse, hätte vergangenes Jahr 500.000 Autos ausgeliefert und alle Fahrzeuge des E-Autobauers würden längst vollautonom fahren.“

In Deutschland äußert nur die AfD laut ihre Skepsis. Tesla sollte keine Subventionen erhalten, warnt der Berliner Abgeordnete Christian Buchholz. Tesla beschaffe „sich sein Kapital im Schneeballsystem“ und mache trotzdem Verluste. E-Autos seien unausgereift, teuer und kaum gefragt: So wurden im Oktober in Deutschland 164.322 Benziner und 88.042 Diesel-Pkw neu zugelassen – aber nur 4.979 E-Autos. „Das Risiko eines zweiten Cargolifter ist somit hoch“, glaubt Buchholz und erinnert damit an 50 Millionen Euro in den Sand gesetzter Subventionen für die Produktion von Lastenluftschiffen in Brandenburg. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat diese Pleite längst verdrängt: „Daß eine solch große Investition für unser Land ansteht, ist uns eine große Ehre, aber auch eine große Verpflichtung.“

 ir.tesla.com/

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