© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/19 / 22. November 2019

Spielwiese für Stadtplaner
In Berlin soll trotz erheblicher Kostensteigerung ein Museum der Moderne gebaut werden
Fabian Schmidt-Ahmad

Kunst ist schön. Und teuer. Besonders, wenn erst einmal öffentliche Gelder fließen. Noch immer ist kein Spatenstich getan und doch hat das geplante Berliner „Museum der Moderne“ wieder für Aufsehen gesorgt. Hatte der Bund 2014 nach jahrelangen Debatten bereits zweihundert Millionen Euro zugesagt, wird der Prestigebau am Kulturforum nun deutlich teurer werden. Ende vergangener Woche verständigte sich der Haushaltsausschuß des Bundestages  auf 450 Millionen Euro – mindestens. „Mit dieser Entscheidung haben die Abgeordneten den Anspruch Deutschlands als große Kulturnation untermauert“, jubelte Kulturstaatsministerin Monika Grütters nach der Sitzung. Die CDU-Politikerin hatte das Projekt vor fünf Jahren mit angestoßen. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, sprach von einem „guten Tag für die Kunststadt Berlin“.

Doch mit jeder neu angefangenen Großbaustelle wächst die Angst, daß sich die Hauptstadt übernimmt. Denn nicht nur der berüchtigte Berliner Großflughafen BER, auch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz kämpft an mehreren Fronten. Da ist einmal die weltberühmte Museumsinsel, vom preußischen Reformer Wilhelm von Humboldt initiiert. Das einzigartige Ensemble aus fünf großen Museen, 1830 mit dem Alten Museum von Friedrich Schinkel begonnen und 1930 mit dem Pergamonmuseum von Alfred Messel und Ludwig Hoffmann vollendet, war zwar internationales Aushängeschild der DDR, doch hinter der Fassade häufte sich der Investitionsstau.

1999, im gleichen Jahr, in dem die Unesco die Museumsinsel zum Weltkulturerbe ernannte, verabschiedete die Stiftung einen Masterplan zur Instandsetzung und Weiterentwicklung des Museumskomplexes. Seitdem wird mit Summen hantiert, die Normalsterbliche schwindeln lassen. Einschließlich kostspieligen und zeitraubenden Überraschungen, die der schwierige, einst sumpfige Berliner Baugrund so bereithält. Alleine der erste Bauabschnitt des Pergamonmuseums wird nicht vor 2023 fertig und kostet statt der eingeplanten 261 nun 477 Millionen Euro.

Im Schatten dieser Großprojekte steht das Kulturforum. Eigentlich war es sowieso nur eine Notlösung, als West-Berlin spätestens nach dem Mauerbau 1961 das kulturelle Zentrum abhanden kam. Nur für eine Weile, wie Stadtplaner damals noch glaubten und das Forum unweit des Potsdamer Platzes anlegten, begonnen 1963 mit der Philharmonie von Hans Scharoun. In einem Gesamtberlin sollte das Forum mit der Museumsinsel ein Kulturband bilden. Doch so lag es erst einmal nicht im Zentrum von West-Berlin und damit auch wenig im öffentlichen Bewußtsein.

Zwar schaffte es Scharoun zusammen mit seinem Mitarbeiter Edgar Wisniewski, dem Areal eine einigermaßen einheitliche, gestalterische Prägung zu verleihen, in dem sich die Neue Nationalgalerie von Ludwig Mies van der Rohe 1968 als thronender Tempel durchaus noch harmonisch hätte einfügen können. Doch die folgenden Architekten zeigten kein Interesse daran, zu einem gemeinsamen Ausdruck zu kommen, wie auf der Museumsinsel. Einzig die St.-Matthäus-Kirche, 1846 von Friedrich August Stüler gebaut, hält den schon vor dem Krieg weitgehend abgeräumten Platz optisch zusammen.

Eine Spielwiese für uninspirierte Architekten, zu allem Überfluß von einer vierspurigen Schnellstraße zerschnitten, in der Mitte eine Mischung aus Park und Parkplatz – das Kulturforum steht nicht nur in der öffentlichen Aufmerksamkeit, sondern zweifelsohne auch in ästhetischer und kulturgeschichtlicher Bedeutung weit hinter der Museumsinsel zurück. Das soll sich demnächst mit dem geplanten Museum der Moderne zumindest ein wenig ändern. Denn das neue Haus soll nichts Geringeres als zum eigentlichen Zentralbau des gesamten Kulturforums werden.

Ursprünglich war die Fläche hinter der Neuen Nationalgalerie als Bauland vorgesehen. Gerüchten zufolge sei diese den Beteiligten aber nicht repräsentativ genug gewesen. Der nun vorgesehene Ort zwischen Neuer Nationalgalerie, Philharmonie und St.-Matthäus-Kirche liegt freilich mitten im Herz des Kulturforums – und damit beginnen die Probleme. Denn die Verhältnisse sind hier deutlich beengter. Dadurch ist beispielsweise ein weiteres Tiefgeschoß für die geforderte Ausstellungsfläche nötig – ein wesentlicher Grund für die steigenden Baukosten. 

Auch steht das Museumsgebäude damit im Widerspruch zu Scharouns ursprünglicher Intention. Dieser wollte eine lockere Parklandschaft, die in den verschiedenen Kultureinrichtungen ausläuft, eben ein offenes Forum. Zwar sah auch er einen zentralen Bau vor, der aber keineswegs so wuchtig werden sollte, wie der präsentierte Entwurf von Jacques Herzog und Pierre de Meuron. Dieser rückt den umliegenden Gebäuden, einschließlich Kirche, bedenklich nahe. Statt das Kulturforum nun endlich zusammenzufassen, droht die Gefahr, es jetzt endgültig zu ruinieren.

Im Gegensatz zu den bei Museumsbauten sattsam bekannten Kuben setzen die Schweizer Architekten Herzog und Meuron auf ein klassisches Satteldach, was bei einem Museum der Moderne geradezu reaktionär wirkt. Der Spott über die „Scheune“ – die FAZ sprach sogar von einem „Skandal“ – stellte sich entsprechend rasch ein. Leider wirkt der Entwurf genauso zusammenhanglos wie fast alles auf dem Forum. Statt auf die Umgebung zu achten, hat hier ein weiteres Architekturbüro seine Visitenkarte abgegeben. Schon bei Mies van der Rohe heißt es, er habe für seinen Musentempel einen Entwurf für den Hauptsitz eines Rumherstellers recycelt.

Daß Herzog und Meuron auch anders können, haben sie mit der Elbphilharmonie gezeigt, die natürliche wie kulturelle Anregungen des Umfelds verarbeitet. Für den Steuerzahler freilich ein schlechtes Omen. Hier kletterten die Baukosten von ursprünglich 77 Millionen schlußendlich auf 866 Millionen Euro. Ob es nun bei den 450 Millionen Euro bleibt, ist ebenso fraglich. Sparfuchs auf dem Forum bleibt damit weiterhin Stüler. Der baute die Kirche nach Baugenehmigung in rekordverdächtigen zwei Jahren – und einem privaten Bauverein als Träger.

Der erste Spatenstich für das Museum der Moderne soll nun bereits am 3. Dezember erfolgen. Die Fertigstellung des Gebäudes ist nach Angaben von Kulturstaatsministerin Grütters für 2026 vorgesehen.