© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/19 / 22. November 2019

Das vergessene organisierte Verbrechen
Die globale Wilderei beschränkt sich weder auf Elfenbein und Rhinozeros-Horn noch auf Afrika
Lars Patrick Berg

Einst war das Waldsterben in aller Munde. Heute sind es die CO2-Emissionen. Andere Umweltthemen werden bestenfalls noch stiefmütterlich behandelt. Eines davon ist die Wilderei bei Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind sowie der internationale Handel mit Produkten aus deren Körperteilen. Dabei geht es nicht nur um den Handel mit Elfenbein oder Rhinozeros-Horn. Der illegale Wildtierhandel steht laut der Umweltstiftung WWF nach Drogenhandel, Produktpiraterie und Menschenhandel global an vierter Stelle der organisierten Kriminalität.

Blaue Pillen ersetzen und den Party-Kater lindern?

So ist das Schuppentier (Pangolin) das am stärksten von Wilderern bedrohte Säugetier der Welt. Dessen Schuppen wird in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) eine potenzsteigernde Wirkung nachgesagt. Dabei bestehen diese „magischen“ Schuppen, genau wie das Rhino-Horn, in der Hauptsache aus Keratin, also den gleichen Faserproteinen, aus denen sich auch unsere Haare und Fingernägel zusammensetzen.

Experten schätzen, daß die weltweite Pangolin-Population um 80 Prozent geschrumpft ist. Bei Nashörnern und Elefanten liegen genauere Statistiken vor: So töteten Wilderer 2015 etwa 20.000 Elefanten und im Schnitt drei bis vier Nashörner pro Tag. Wurden 2007 noch 13 Rhinos getötet, waren es 2014 bereits 1.214 Exemplare. Für ein Kilogramm Rhino-Horn werden 55.000 Euro bezahlt – mehr als für Gold oder Kokain.

Nicht nur in China giert man nach dem „Naturheilmittel“, auch in Vietnam ist Rhino-Horn zur Status-Droge avanciert. Es soll nicht blaue Potzenpillen ersetzen, sondern Krebs heilen und nach Partys den Kater lindern. Selbst vor Museen und Zoos in Europa macht die Gier nach dem Horn nicht Halt. Im März 2017 wurde der Nashornbulle Vince im Zoo von Thoiry westlich von Paris erschossen und das Horn abgesägt.

In Südafrika, der Nashorn-Hauptheimat, stemmt sich die Sondereinheit „Hawks“ gegen die Wilderei und den Schmuggel. Sie verfügt über eine Datenbank, in der DNS-Proben sämtlicher Nashörner des Landes erfaßt sind, auch die der bereits gewilderten. Mit Hilfe von DNS-Abgleichen ist es den „Hawks“ möglich, beschlagnahmtes Horn zuzuordnen und damit Handelswege aufzudecken. Doch selbst modernste Ermittlungsmethoden können dem Handel kaum Einhalt gebieten. Es sind international organisierte Verbrecherbanden, wie die Triaden, die den Schmuggel genauso professionell betreiben wie den Menschen- oder Drogenhandel.

Auch in Asien und Südamerika fallen Wildtiere der Mischung aus Aberglauben und Placebo-Effekt zum Opfer. Etwa der Brillen- oder Andenbär, denn seinem Penisknochen wird in der TCM eine aphrodisierende Wirkung nachsagt. Nachdem der Tiger in Asien weitgehend ausgerottet wurde, wird nun der Jaguar ins Visier genommen. Gleiches gilt für die Schnee-Leoparden der Mongolei. Zähne, Klauen, Innereien und das Fell sollen Stärke, Mut und potenzfördernde Kräfte bescheren. Wer sich intensiver mit der Thematik befaßt, der wird von der schier endlosen Liste unappetitlicher Grausamkeiten, die der Tierwelt aus Profitgier angetan werden, überrascht sein. Zudem ist nicht der afrikanische, sondern der indische Elefant primär von Wilderei bedroht – wegen dessen Haut. Die wird ihnen in zentimeterdicken Streifen abgezogen, um dann industriell in rubinrote Modeschmuck-Perlen verarbeitet zu werden. Die Farbe dieser Perlen ist das Hämoglobin in den konservierten Blutzellen. Doch nicht immer steht Profitgier im Vordergrund der Wilderei. Mitunter dient sie auch der Terrorismus-Finanzierung, wie im Beispiel von Boko Haram. Diese Islamistenmiliz hat 2015 dem IS die Treue geschworen und treibt in Nigeria, dem Tschad und in Kamerun ihr Unwesen. Ihre Angehörigen „ernten“ das begehrte Elfenbein mit der Panzerfaust.

Mehr Druck auf China und Vietnam ausüben

Wie antwortet die zivilisierte Welt auf diese wachsende Bedrohung der Artenvielfalt? Zunächst mit der direkten Bekämpfung der Symptome. So helfen in Kenia Soldaten der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien den dortigen Wildhütern im bewaffneten Kampf gegen die – mitunter genauso gut – bewaffneten Wilderer. In Südafrika sind es private Sicherheitsfirmen, deren Ex-Militärangehörige die Wildbestände bewachen. Dabei herrscht Krieg – und es gibt Tote. Voriges Jahr wurden laut Auskunft der International Ranger Federation (IRF) 107 Wildhüter im Dienst getötet. Dem gegenüber steht eine vierstellige Zahl von Wilderern.

Auch die EU engagiert sich im Kampf gegen Wildtierhandel und Wilderei. Im Februar 2016 wurde ein Aktionsplan verabschiedet, der 32 Maßnahmen beinhaltet. Europol und die EU-Justizbehörde Eurojust wurden mit einer verbesserten grenzüberschreitenden Strafverfolgung mandatiert und 200 Millionen Euro für den Kampf gegen Wilderei und Wildtierhandel freigegeben. Darüber hinaus wird gemeinsam mit dem WWF das Kaza-Projekt unterstützt, bei dem es sich um den größten Schutzgebietsverbund Afrikas handelt, an dem Angola, Botswana, Namibia, Sambia und Simbabwe beteiligt sind. Kaza wird auch von der Bundesregierung und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit 35,5 Millionen Euro gefördert.

Doch dabei handelt es sich ausschließlich um die Behandlung von Symptomen, nicht jedoch um die nachhaltige Bekämpfung der Ursachen der Wilderei. Um Aussicht auf Erfolg zu haben, muß die Bekämpfung am Ende der Lieferkette ansetzen. Daß heißt, sich verstärkt den Abnehmerländern in Fernost zu widmen. Der chinesische Staatsrat hatte zwar Ende 2017 den Handel mit Elfenbein verboten. Die kommerzielle Verarbeitung und auch der Verkauf von Elfenbein wurden eingestellt. Eine gleichlautende Gesetzgebung in bezug auf Rhino-Horn gibt es jedoch weder in Vietnam noch in China.

Im Gegenteil: Die Volksrepublik hat 2018 den Handel mit Rhino- und Tiger-Produkten offiziell wiedereröffnet. Die Nachfrage nach einem Stoff, der nachweislich über keinerlei medizinische Wirkung verfügt, kann nur durch eine breit angelegte Aufklärung der Konsumenten verringert werden. Hier ist die EU gefragt, mit entsprechendem Nachdruck auf eine Zusammenarbeit mit den chinesischen und vietnamesischen Behörden hinzuwirken. Gleiches gilt grundsätzlich für den Handel und die Verarbeitung aller bedrohten Tierarten. Nur wenn die Absatzmärkte für gewilderte Produkte ausgetrocknet werden, besteht noch eine Chance für das Überleben der vom Aussterben bedrohten Tierarten. Gemeinsames Ziel aller Beteiligten sollte bleiben, die Artenvielfalt auf unserem Globus auch für künftige Generationen zu erhalten.

Lars Patrick Berg ist Historiker und Reserveoffizier der Bundeswehr. Seit 2019 ist er AfD-Abgeordneter im EU-Parlament und Mitglied im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten.

 www.larspatrickberg.de