Es hat aufgehört zu regnen. Die Alsterpromenade bevölkert sich zusehends und wir machen uns auf die Socken. Wir lavieren uns durch einen Pulk ausländischer Mitbürger mit Kinderschar, die auf pedallosen Kleinrädern übt. Fußgänger sind in der Mehrzahl. Das bedeutet nicht unbedingt Überlegenheit, denn rasende Radfahrer und flitzende E-Biker kämpfen in beiden Richtungen um die Vorherrschaft. Der Blick auf das phantastische Panorama der Alster mit Wasserfontäne ist längst zur Nebensache degradiert.

Ab Jungfernstieg dürfen wir wieder frei laufen. Vor dem Pavillon findet unüberhörbar eine Demo statt, aus leistungsstarken Lautsprechern schallen Sprechgesänge. Sechs Hansel wedeln mit einem Schild den Takt: Stoppt den Brexit.

Die Polizisten nehmen Kontakt zum Clan auf, notieren fleißig und verabschieden sich.

Etwa hundert Meter weiter ertönen plötzlich Walzermelodien auf einem Akkordeon. Fast sind wir versucht, zu schunkeln. Unsere piefige Stimmung schlägt um. Wir werfen dem Musiker Münzen in die Büchse und laufen in Richtung Blaulicht. Eine seltsame Kulisse bietet sich: Zehn Luxusschlitten mit Warnblinkanlage parken in der Kurve zum Neuen Jungfernstieg, davor Polizeifahrzeuge.

Aus den abgestellten Karossen steigen feingewandete Menschen, sammeln sich streng getrennt nach Männlein und Weiblein an zwei Plätzen. Es sind Türken, wie wir unschwer an pompösen grünen und roten Halbmondfahnenjacketts erkennen. Eine Hochzeitsgesellschaft: Die Braut und ihre Freundinnen sind in monströse Chiffonkleider gehüllt. Zwei Männer verlassen gerade einen zivilen Einsatzwagen mit Klemmbrett und Akte, nehmen Kontakt zum Clan-Chef auf, notieren eifrig, nicken freundlich zum Abschied und rauschen wieder ab.

Wir gehen ins nächste Café. Neben uns sitzen zwei Männer.„Haben die hier auch Mohr im Hemd?“ fragt der eine. „Mohr darfst du in good old Germany nicht sagen“, wird er belehrt.

„Na gut, dann sage ich eben ‘Obama im Hemd’“.