© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/19 / 29. November 2019

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Auf den letzten Drucker
Paul Rosen

Altgediente Redakteure kennen das Gefühl noch, wenn plötzlich der Redaktionsfußboden zu zittern begann, als gebe es ein Erdbeben und die (Bier-)Gläser auf den Schreibtischen klingelten. Mit verklärtem Blick schaute der Chefredakteur dann aus dem Fenster auf die Druckerei, wo gerade „Andruck“ war, erhob das Glas und stellte fest: „Zeitungen zu drucken ist wie eine Lizenz zum Gelddrucken.“ 

Das ist lange her, der Chefredakteur von damals längst in Rente und die Rotationsmaschine ins Ausland verkauft: Der Tageszeitungsbranche geht es wegen neuer Internetmedien und Handynutzung schlecht – so schlecht, daß der Haushaltsausschuß des Bundestages in einer Blitzaktion eine Subvention für die Branche (und für die zumeist angeschlossenen Anzeigenblätter) beschloß, die einst im Westen zwar von den Alliierten lizenziert, aber stolz auf ihre Unabhängigkeit war. 

Die zunächst beschlossene Summe ist gering: 40 Millionen Euro sollen die Verlage vom nächsten Jahr an erhalten „zur Förderung der Zustellung von Abonnementzeitungen und Anzeigenblättern“, wie es in einem kurzfristig von der Koalition in die letzte, 15stündige Sitzung des Haushaltsausschusses vor Abschluß der Beratungen des Etats 2020 eingebrachten Antrag heißt. Laut Aussage des zuständigen Ministers für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil (SPD), ist die Subvention bereits seit längerer Zeit angedacht. Warum jedoch, fragen sich Abgeordnete der Opposition, hatte der Minister darüber zuvor nie ein Wort verloren? In den Berichterstattergesprächen hätte man über die geplanten Maßnahmen doch mal reden können …

Einfach nur rübergeschoben werden soll das Geld nicht: Der Ausschuß beschloß mit Stimmen von Union, SPD und Linken gegen die AfD bei Enthaltung von FDP und Grünen, von der Bundesregierung ein Gesamtkonzept zu verlangen. Bis dahin bleiben die Ausgaben gesperrt und dürfen erst freigegeben werden, wenn der Haushaltsausschuß dies genehmigt. Außerdem soll der Rechnungshof Stellung nehmen. Dieses Verfahren der Regierungsparteien ist altbekannt: Man kann Kritiker besänftigen, es sei ja noch alles offen, der Rechnungshof prüfe und die Mittel nicht freigegeben. Sobald sich die Aufregung gelegt hat, wird das Geld rübergeschoben und der Rechnungshofbericht verschwindet im Archiv. 

Denn Aufregung gab es viel, weil die Aktion bei einer der Groko-Parteien den Verdacht der Selbstbedienung nahelegt: Die SPD ist über ihre Presseholding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG) an einer Reihe von  Tageszeitungen beteiligt. „Aufgrund der Tatsache, daß die SPD über ihre DDVG an einer Vielzahl von Verlagen beteiligt oder deren Eigentümer ist, profitiert die Partei auch indirekt von dieser Förderung. Dies ist ein weiterer bitterer Beigeschmack dieses ganzen Vorgangs“, meinte die zuständige AfD-Haushaltsberichterstatterin, Ulrike Schielke-Ziesing gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Es ist übrigens nicht der erste Vorfall dieser Art: Als 2015 der Mindestlohn eingeführt wurde, galt dieser zunächst nicht für Zeitungszusteller, sondern stieg für sie nur schrittweise an.