© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/19 / 29. November 2019

Schwächere weltwirtschaftliche Dynamik belastet ThyssenKrupp
Stahl, Tafelsilber und Blech
Markus Brandstetter

Bei ThyssenKrupp geht es drunter – und nochmal drunter. Im September mußte das Unternehmen wegen seines drastisch gesunkenen Aktienkurses den deutschen Börsen­index Dax verlassen. Kurz danach wurde der Vorstandschef, der nur ein Jahr im Amt war, gefeuert, weil er das Unternehmen nicht sanieren konnte. Der Geschäftsbericht 2018/19 zeigt sich so hoffnungslos wie eh und je: Der Umsatz stagniert bei 42 Milliarden Euro. Und unter dem Strich stehen Verluste, auch wenn die sich von 260 Millionen auf zwölf Millionen reduziert haben. Was allerdings kein Trost ist.

Viel schlimmer ist, daß ThyssenKrupp einen negativen Cashflow von über eine Milliarde Euro aufweist – der Konzern braucht also Fremdmittel, um seine Rechnungen bezahlen zu können. Diese Hiobsbotschaften in Serie schlagen voll auf den Aktienkurs durch. Es ist der tiefste Stand seit 2003.

Jetzt verkündet die Presseabteilung wieder: Diesmal solle wirklich alles besser werden! Richten soll es Martina Merz, die ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der Essener, die zur Interims-Konzernleiterin ernannt wurde. Deutschlands grüne Wirtschaftspresse hat diesen Schritt mit Entzücken vermeldet: endlich eine Frau an der Konzernspitze; die werde schaffen, was Generationen von Männern nicht vermochten.

Das darf bezweifelt werden – nicht weil die 56jährige Ex-Bosch-Managerin inkompetent wäre, sondern weil auch sie kein Patentrezept hat und die Probleme gravierend sind. Die beginnen damit, daß Thyssen­Krupp zwar sechs Unternehmenssparten hat, aber nur mit zweien Geld verdient: den Aufzügen und den Auto-Komponenten. Mit dem Bau von Schiffen, dem Handel mit Rohstoffen und dem Stahlkochen wird lediglich Geld gewechselt. Und der Industrieanlagenbau schreibt dunkelrote Zahlen.

Unfaßbarerweise sieht die neue Konzernstrategie vor, die Kronjuwelen, sprich die Aufzugssparte, entweder separat an die Börse zu bringen oder aber zu verkaufen; analog dem Motto gefallener Familien: Ist das Tafelsilber erst mal weg, essen wir mit dem Blechbesteck. Wer so etwas plant, scheint nicht zu wissen, daß die profitabelste Sparte eines Unternehmens immer auch die höchsten Fixkosten tragen kann. Thyssen­Krupp ohne Aufzüge ist eine Ruine, die der Wind der nächsten Rezession zum Einsturz bringt (JF 21/19).

Aber auch samt den Aufzügen würde eine Sanierung schwer werden, denn im Automobilgeschäft zeigen alle Zeichen nach unten, der Stahl leidet seit Jahren an weltweiten Überkapazitäten, und der Verkauf von U-Booten und Kriegsschiffen ist dem Willen einer rüstungsfeindlichen Politik unterworfen. Trotz aller Beschwörungen, die bei einem Führungs- und Strategiewechsel geäußert werden, bleibt die Lage bei ThyssenKrupp so unsicher und prekär, wie sie es seit Jahrzehnten ist.

 thyssenkrupp.com