© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/19 / 29. November 2019

Als Coburg weiß-blau wurde
1919 stimmte der Freistaat für den Anschluß an Bayern
Thorsten Brückner

Coburg fällt aus der fränkischen Rolle“, konstatierte der Heimatschriftsteller Hans Max Freiherr von Aufseß 1970. Dies liegt auch daran, daß das Territorium erst so spät und als eigener Verhandlungspartner dem Freistaat Bayern beigetreten ist. Am 30. November 1919 schritten die Coburger zu den Urnen. Sie standen vor der Frage, ob sie Teil Bayerns oder Teil des neugegründeten Staates Thüringen werden wollten. Ihre Entscheidung hätte eindeutiger nicht ausfallen können: Über 88 Prozent sprachen sich für Bayern aus, wobei die Zustimmung in den ländlichen Ortschaften noch größer war als in der Stadt Coburg selbst. Es war eine der ersten demokratischen Volksabstimmungen in Deutschland überhaupt.

Mit dem Staatsvertrag vom Februar 1920 wurde der Anschluß besiegelt, am 1. Juli 1920 vollzogen. Der Freistaat Coburg, der aus der Konkursmasse des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha hervorging, war Geschichte. In der Bevölkerung war die Präferenz für Bayern immer da. Lediglich die Sozialdemokraten spekulierten mit dem Anschluß an Thüringen, in der Hoffnung auf eine fortbestehende Verbindung mit der sozialdemokratisch-sozialistischen Hochburg Gotha. 

Auf der freien Seite des Eisernen Vorhangs

Eingegliedert wurde Coburg sodann in den damaligen Kreis und heutigen Regierungsbezirk Oberfranken. Lediglich die Kleinstadt Königsberg in Franken, die seit dem Beitritt Königsberg in Bayern heißen sollte, wurde dem Landkreis Haßberge und damit dem heutigen Unterfranken zugeschlagen. 

Für die Coburger war das Ergebnis der Abstimmung vor allem in der Rückschau ein Segen. Anders als Thüringen blieb ihnen eine Existenz hinter dem Eisernen Vorhang erspart. Dabei lief die weitere Geschichte Coburgs nicht ohne Brüche. Schon 1929 erreichten die Nationalsozialisten hier eine absolute Mehrheit im Stadtrat. Bei den Reichstagswahlen im Juli 1932 kam die NSDAP auf 58,6 Prozent. Vielleicht auch deswegen durfte Coburg ab 1939 den Ehrentitel „Erste nationalsozialistische Stadt Deutschlands“ führen. Dabei vergriffen sich die Nationalsozialisten ausgerechnet am Wahrzeichen der Stadt. Der heute bei Politisch-Korrekten als anstößig geltende Coburger Mohr war auch den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge, die ihn im Stadtwappen durch Schwert und Hakenkreuz ersetzten und die lokale Mohrenstraße in „Straße der SA“ umbenannten.