© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/19 / 29. November 2019

Frisch gepresst

Mauerfall. Bei all dem Gedenken um den 9. November 1989 fragt sich der Zeitzeuge manchmal: „Hast du das alles geträumt?“ Nein, nicht den Mauerfall, sondern die Anfeindungen der Klassenkameraden, Lehrer und Kommilitonen, wenn man als Wessi die Einheit Deutschlands forderte. Und heute? In den Medien gewinnt man fast den Eindruck, daß alle Parteien, West wie Ost, sogar die SED selbst, niemals etwas anderes verfolgten, als eben die Wiedervereinigung. Um so verdienstvoller, daß Herausgeber Frieder Seidel uns in einem aktuellen Sammelband an Lebenserinnerungen aus Ost und West teilhaben läßt, die rund um den Mauerfall kreisen. Eine sei herausgegriffen: Helmut Matthies, er war von 1978 bis 2017 Leiter der Evangelischen Nachrichtenagentur idea, skizziert eben jene Stimmungslagen in der evangelischen Kirche-West, zitiert Kirchenobere und nennt ihre Namen. Nein, der Wille zur Wiedervereinigung war in diesen Eliten nicht vorhanden – und sie kam doch. „Gott sei Dank“, so der Untertitel des Buches. (mec)

Frieder Seidel (Hrsg.): Mauerfall – Deutsche Einheit – Gott sei Dank! Verlag Concepcion, Hammerbrücke 2019, gebunden, 352 Seiten, Abbildungen, 19,95 Euro





Konsensstörung. Hanna Jünglings „zeitkritische Essays“ sind in vielerlei Hinsicht geeignet, den bundesrepublikanischen Grundkonsens empfindlich zu stören. Akribisch geht die Autorin den Zumutungen, Denunziationen und Lebenslügen des „freiesten Staates der deutschen Geschichte“, der von Gott verlassenen Konzilskirche, der gleichgeschalteten „Qualitätsmedien“ und der Altparteien nach. Energisch entlarvt sie den „herrschaftsfreien Diskurs“, mit dessen Hilfe die manipulierten Bürger mundtot gemacht werden. Dies geschieht auf zahlreichen Seitenpfaden, stößt in unerbittlich verteidigte Räume der Herrschenden vor, kommt dem Schwindel der „One World“ und des „Global Village“ auf die Spur und erklärt schlüssig die gelungene Transformation des Staatsbürgers zum Untertanen, der als Arbeits- und Steuerzahlsklave durchs Leben stolpert und sich dann auf Mallorca drei Wochen als „freier Mensch“ fühlen darf. Ein wertvolles Buch, das auf hohem intellektuellen Niveau mit den Wahnvorstellungen und dem geistigen Schund der „deutschen Bessermenschen“ abrechnet. (W.O.)

Hanna Jüngling: Das Schillern der Dinge. Zeitgeschichtliche Essays. Zeitschnur Verlag, Karlsruhe 2019, broschiert, 384 Seiten, 18 Euro