© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/19 / 06. Dezember 2019

Neue Konkursverwalter
SPD-Vorsitz: Ideologen steuern die Partei in die Bedeutungslosigkeit
Kurt Zach

Das war’s dann wohl mit der SPD. Jedenfalls mit der SPD als relevanter Größe in der deutschen Politik. Das Basis-Votum für Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken als neue Parteivorsitzende ist eine klare Ansage: Zwei radikallinke Phrasendrescher aus der dritten oder vierten Garnitur – für solche Konkursverwalter entscheidet sich eine Partei, die nicht nur nicht regieren oder in der Opposition regenerieren will, sondern nur noch im politischen Austragshaus dem Ende entgegendämmern und sich dabei noch etwas auf der warmen Ofenbank der reinen sozialistischen Lehre die müden Knochen wärmen will.

Die bisherige Bilanz der beiden Berufspolitiker ist mehr als mager. Der eine ein aus dem Ruhestand reaktivierter Ex-Landesfinanzminister, der in seiner Amtszeit vor allem durch verfassungswidrige Haushaltsentwürfe, unmäßiges Schuldenmachen und den steuerfinanzierten Ankauf von Hehlerware in Form von gestohlenen Datensätzen von Bankkunden aufgefallen war. Die andere eine sozialismusgläubige Provinzpolitikerin und Bundestags-Hinterbänklerin mit unterdurchschnittlichen Wahlergebnissen, der nicht einmal die eigenen Parteifreunde und Fraktionskollegen verantwortungsvolle Aufgaben zutrauen.

Das war kein Votum gegen abgehobene Berufspolitiker, sondern eine Entscheidung für zwei besonders erfolglose Exemplare dieser Spezies. Ob „NoWaBo“ und Saskia Wer-war-das-gleich-nochmal tatsächlich auf dem SPD-Parteitag zu Vorsitzenden gemacht werden, ist zwar noch nicht hundertprozentig ausgemacht. Immerhin haben sie faktisch nur ein Viertel der noch gut vierhunderttausend SPD-Mitglieder hinter sich; die eine Hälfte hat gar nicht erst teilgenommen.

Und auch die Methode, den satzungsgemäß gewählten Delegierten durch einen aus dem Ärmel geschüttelten Basisentscheid ein imperatives Mandat nach Sowjetart vorgeben zu wollen, ist eine mehr als fragwürdige Schlußpointe für das schier endlose Kandidatenauswahlgewürge. 

Sicher ist dagegen, daß die Karriere von Bundesfinanzminister Olaf Scholz jetzt schon zu Ende ist. Nach diesem Mißtrauensvotum braucht er sich auch für kein anderes hohes Amt mehr zu bewerben.

 Nicht daß Scholz als SPD-Generalsekretär, Hamburger Bürgermeister und Bundesminister Überragendes geleistet hätte. Aber er hat immerhin schon einmal Wahlen gewonnen und ein Land regiert und gehört damit in der Sozialdemokratie einer aussterbenden Art an. August Bebel, Friedrich Ebert, Otto Wels, Kurt Schumacher, Willy Brandt – und jetzt zwei verhärmte Verlierer von der letzten Bank als Vorsitzende der ältesten Partei Deutschlands? Die Erwähnung der Ahnenreihe ist natürlich unfair; auch in den letzten zwei Jahrzehnten war das Führungspersonal der SPD schon eher bätschig und durchwachsen. 

Schon das Gefälle von Gerhard Schröder und Franz Müntefering zu Andrea Nahles und ihren mutmaßlichen Nachfolgern illustriert das Ausmaß des Niedergangs der deutschen Sozialdemokratie. Der wahrscheinlich letzte SPD-Bundeskanzler und sein loyaler Kampfgenosse waren noch im aufstiegsorientierten Arbeitermilieu verwurzelt und wußten, daß eine sozialdemokratische Partei nur dann Mehrheiten gewinnen kann, wenn sie dieses Milieu hinter sich hat.

Die SPD der Salonmarxisten, der Gender-Ideologen und Klima-Sozialisten hat nicht nur keinen Draht mehr zu den ganz normalen Leuten, sie will ihn auch gar nicht, weil deren Ansprüche an die Politik nicht zu ihren verinnerlichten Glaubenssätzen passen. Die Ideologen haben die SPD fest im Griff. Juso-Chef Kevin Kühnert, der von Enteignungen und Staatssozialismus schwadroniert, hat es eben demonstriert: Seine Truppen haben sich offenkundig noch am stärksten parteiintern mobilisieren lassen. Der Durchmarsch der Links-intellektuellen ist am Ziel – die ehedem sozialdemokratischen Stammwählerschaften sind in Dauerlethargie oder gleich zur AfD abgewandert.

Die Sehnsucht nach neuen linken Mehrheiten wird daher nicht in Erfüllung gehen. Als sozialistische Sekte hechelt die SPD dem grün-linken Zeitgeist nur noch hinterher. Wer Enteignungen und Stalinismus gut findet, hat in der SED-PDS-Linken immer noch das Original, Ökodiktatur und Multikulti sind bei den Grünen netter verpackt, und wohlfahrtsstaatliche Bevormundung macht die Union inzwischen auch professioneller. Der ausgeplünderten Mitte der Gesellschaft zeigen sowieso alle gemeinsam die kalte Schulter. 

Das Heilsversprechen „GroKo-Aus“ werden Walter-Borjans und Esken deshalb ebenfalls nicht einlösen können. Jetzt schon rudern sie zurück, weil sie genau wissen, daß die Bundestagsfraktion sich mit Klauen und Zähnen gegen Neuwahlen wehren wird, bei denen jeder zweite seine Pfründe verlieren könnte. Für einen Merkel-Sturz gibt es auch keine Mehrheit. Verläßt die SPD die Regierung, macht die Union per Minderheitsregierung einfach weiter; für grün-rote Politik braucht Merkel keine SPD-Minister.

Ohne Regierungsbeteiligung wird die SPD dann völlig bedeutungslos sein. Sollte sie künftig noch einmal mitregieren, dann höchstens als dritter oder vierter Juniorpartner. Selbst die stolzeste Tradition ist indes keine Überlebensgarantie auf Ewigkeit. Die SPD wäre nicht die erste sozialdemokratische Partei in Europa, die sich in ideologischer Abkapselung selbst abschafft. Mit dem designierten neuen Führungsduo ginge ihre quälend lange Agonie dann immerhin etwas schneller.