© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/19 / 06. Dezember 2019

Ländersache: Nordrhein-Westfalen
Jalla, jalla, Hawala
Karsten Mark

Um mehr als 200 Millionen Euro illegal in die Türkei verschobenes Schwarzgeld ist es jüngst bei einer umfangreichen Razzia gegangen, mit der das Landeskriminalamt Nord-rhein-Westfalen federführend gegen 27 Hauptverdächtige in fünf Bundesländern und den Niederlanden vorgegangen ist. Etwa 850 Polizeibeamte durchsuchten unterstützt von Steuerfahndern und der Bankenaufsicht mehr als 105 Privatwohnungen, Edelmetallfirmen und Juweliere, davon 50 allein in NRW. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt wegen des Aufbaus eines umfangreichen illegalen Systems zum Geldtransfer, das auf dem besonders unter Muslimen gebräuchlichen Hawala-System basiert, mit dem auch viele Migranten ihr Geld diskret und kostengünstig in die Heimat schicken.

In einem Juwelierladen in der Duisburger Innenstadt soll sich das Zentrum der kriminellen Organisation befunden haben: Die Ermittler stellten dort große Mengen Bargeld, Schmuck und Goldbarren sicher – in so großem Umfang, daß es einem Bericht des WDR zufolge zunächst Probleme beim Abtransport durch die Polizei gab. Auch mehrere Fahrzeuge wurden sichergestellt. Es gehe dabei um einen Gesamtwert von 22 Millionen Euro, teilten die Ermittler mit. Der Hauptbeschuldigte, der Inhaber einer Juwelierkette aus Düsseldorf, dem auch Pfandhäuser in Berlin gehören, wurde festgenommen. Drei von fünf weiteren Haftbefehlen sind nach Angaben eines Staatsanwalts ebenfalls vollstreckt worden. Auch die weiteren Durchsuchungen fanden schwerpunktmäßig im Großraum Duisburg statt, außerdem in den Nachbarstädten Neuss und Düsseldorf sowie in Hessen, Hamburg, Berlin und Baden-Württemberg sowie in den Niederlanden. Insgesamt könnten Vermögenswerte in Höhe von 212 Millionen Euro vorläufig sichergestellt werden, berichtete NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) dem Handelsblatt.

Dreh- und Angelpunkt des illegalen Millionentransfers war offenbar eine Edelmetallfirma in Hessen. Dem Handelsblatt zufolge handelt es sich um ein deutsch-türkisches Familienunternehmen, das in Deutschland in großem Stil angekauftes Gold bilanztechnisch vom deutschen in den türkischen Unternehmensanteil verschoben haben soll. Die Einzahler des Schwarzgelds waren den Ermittlern zufolge neben Türken auch Litauer und Syrer. Ausgezahlt wurde das gewaschene Geld mutmaßlich in Istanbul.

Das für das Hawala-Banking genutzte Netzwerk reiche vom Ruhrgebiet über den Mannheimer Raum bis nach Rotterdam, so Reul. Der tägliche Umsatz habe zwischen 700.000 und einer Million Euro gelegen, berichtete Reul. 

Das Hawala-System erlaubt einer Analyse des Bundesfinanzministeriums zufolge, „Gelder nahezu ohne jede Möglichkeit der Rückverfolgung zu transferieren“. Nach dem „Lagebild Clankriminalität“ des LKA NRW ist es deshalb auch unter „Angehörigen türkisch-arabischstämmiger Familienclans“ zur Geldwäsche überaus beliebt.

Hawala-Geschäfte werden üblicherweise diskret in Hinterzimmern getätigt und sind unter anderen nach dem vor gut zehn Jahren erlassenen Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAV) sowie dem Geldwäschegesetz in Deutschland verboten. Im aktuellen Fall wurden Juweliergeschäfte und Pfandhäuser dafür genutzt.