© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/19 / 06. Dezember 2019

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Wer das Wapperl nicht ehrt
Paul Rosen

Es gibt in Berlin viele schönere Posten als den des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur. Das dürfte Andreas Scheuer gelegentlich in den Sinn kommen, wenn er im heimatlichen Passau an der Veste Oberhaus sitzt und den herrlichen Blick auf die drei Flüsse Inn, Donau und Ilz nicht so richtig genießen kann. Der Name Scheuer steht inzwischen für schlechte Straßen, ausfallende Züge und nicht funktionierende Handynetze. Und dann war da noch ein zentrales CSU-Wahlversprechen – abgegeben 2013 zur Bundestagswahl: Mit einer Maut wolle man die vor allem osteuropäischen Autofahrer an den Kosten des Straßenunterhalts beteiligen. Doch im Sommer 2019 – alle Verträge mit Betreiberfirmen waren geschlossen – kippte der Europäische Gerichtshof die Maut. Der Bundesrechnungshof kritisiert, die Firmen hätten dennoch Anspruch auf Zahlungen. 

Wenig überraschend setzte der Bundestag nun einen Maut-Untersuchungsausschuß durch. Dies können die Oppositionsfraktionen, wenn sie sich einig sind und das erforderliche Quorum von 25 Prozent auf die Beine bringen. Zwei Untersuchungsausschüsse gibt es bereits: Einer befaßt sich mit dem Breitscheidplatz-Anschlag (JF 39/19). Außerdem hat sich der Verteidigungsausschuß als Untersuchungsausschuß konstituiert (JF 28/19). 

Untersuchungsausschüsse können eine ärgerliche Sache für Amtsinhaber wie Scheuer werden. Ausgestattet mit beinahe gerichtlichen Vollmachten können sie Regierende mit stundenlangen Befragungen quälen, können Akten anfordern, diese durcharbeiten und erneut vorladen. Neun Abgeordnete gehören dem neuen Ausschuß an: Drei von der Union, zwei von der SPD und je ein Mitglied von AfD, FDP, Linken und Grünen. Ein Urteil wird nicht gefällt. Aber es gibt einen Abschlußbericht. 

Die Koalition hat zwar eine Mehrheit, aber sie kann diese nicht nutzen, um die Untersuchungen auszuhebeln: Schließlich muß der vom Bundestag beschlossene Untersuchungsauftrag ausgeführt und aufgeklärt werden, warum Scheuer trotz bekannter europarechtlicher Zweifel Verträge mit zwei Unternehmen schloß und welche finanziellen Konsequenzen jetzt drohen. Stabil ist die Lage des einstigen CSU-Hoffnungsträgers Scheuer nicht. Für ihn in die Waagschale fällt noch, daß er sich auf die von Alexander Dobrindt, seinen Freund aus Junge-Union-Zeiten und Amtsvorgänger im Ministerium, geführte CSU-Landesgruppe verlassen kann. Die CSU glaubt nicht, daß Kanzlerin Merkel auf eine Kabinettsumbildung drängen könnte, weil angesichts der instabilen Lage in Berlin nach dem SPD-Mitgliederentscheid schon die kleinste Erschütterung den ganzen Laden in die Luft fliegen lassen könnte. 

Einer fühlt sich unterdessen bestätigt: Scheuers Parteifreund Peter Ramsauer hatte stets Bedenken gegen das elektronische System von Scheuer und wollte eine Lösung mit einem „Wapperl“, wie man in Bayern zu Plaketten sagt. Das Modell sei 2013 mit der EU-Kommission bereits abgestimmt gewesen und hätte funktioniert. Der Verkehrsminister damals hieß – Peter Ramsauer.