© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/19 / 06. Dezember 2019

„Nicht jeder hatte Bock“
„Extinction Rebellion“: Linksradikale Klimaschützer wollen vor allem junge Menschen für ihre Kampagnen ködern / Antreiber der Schulstreik-Bewegung
Hinrich Rohbohm

Sie sind gerade einmal zehn Jahre alt. Es ist Freitagmorgen, 9.50 Uhr. Normalerweise haben Rick, Jenny und Niclas zu dieser Zeit Unterricht in ihrer Gesamtschule in Bremen-Mitte. Doch nicht heute. Heute ist „Global Day On Climate Action“. Greta Thunbergs „Fridays for Future“-Bewegung hat zum Klimastreik gerufen, wie jeden Freitagmorgen. Unterricht? „Gibt’s heute sowieso nicht, alle gehen zur Demo“, sagt Niclas. Die Lehrer würden das ohnehin unterstützen, sie sogar zur Teilnahme ermutigen. Gerade hat das Trio den Bremer Hauptbahnhof erreicht. Jetzt noch durch die Unterführung und sie sind am Treffpunkt: Das Freimarkt-Gelände vor der ÖVB-Arena. Sie haben Pappschilder angefertigt. „Jetzt handeln“ und „Klimaschutz jetzt“ steht drauf. „Die haben wir im Werkunterricht gebastelt“, verrät Jenny. Die Anregung sei von ihrem Lehrer gekommen. „Wollen wir eigentlich auch etwas für den Klimaschutz tun?“, hatte der sie gefragt. Die Reaktion sei gemischt ausgefallen. „Nicht jeder hatte gleich Bock“, erinnert sich Rick.

„Es sollte uns nicht egal sein, was mit unserem Planeten passiert, es gehe um unsere Zukunft“, hatte ihr Lehrer insistiert. Zuletzt waren alle mit dabei. Rick, Jenny und Niclas sowieso. „Wenn wir jetzt nicht demonstrieren, dann ist die Welt in zehn Jahren zerstört, dann würde es sowieso keinen Unterricht mehr geben“, ist Jenny überzeugt. Auf ihrem Weg stimmen die drei linksradikale Lieder an. Woher sie die haben? „Keine Ahnung, wurde oft auf den FFF-Demos gesungen“, sagen die drei. Jetzt singen sie eben auch. 

„Den Geist der Rebellion wecken“

Warum das so ist, wird am Treffpunkt der Demo schnell ersichtlich. Unter die mehrere tausend Schüler umfassenden Streikteilnehmer haben sich wie üblich zahlreiche linksradikale Gruppierungen gemischt. Die zumeist von Lehrern der Demo zugeführten Schüler sind eine ideale Zielgruppe für deren Ziele. Jung, idealistisch und noch mit wenig Lebenserfahrung ausgestattet, lassen sie sich leicht für fragwürdige Parolen begeistern. 

Einige ihrer Vertreter stimmen antikapitalistische Sprüche an, die die Kinder und Jugendlichen mit Begeisterung wiederholen. Leute, die sagen, sie seien Arbeiter im Mercedes-Werk, haben ein rotes Transparent aufgespannt. „Weil der Kapitalismus zusammenkracht, brauchen wir die Arbeitermacht“, steht drauf. Fünfzig Meter weiter ist ein blaues Transparent der FDJ zu sehen: „Streik in der Schule, Streik in der Fabrik, das ist uns’re Antwort auf Ausbeutung und Krieg.“ Daß es sich dabei um die einstige Jugendorganisation der SED handelt, ist nur wenigen der Schüler bewußt. Andere verteilen Handzettel und Zeitungen. Darunter die linksradikale Junge Welt, einst das Zentralorgan der FDJ, oder die vom Verfassungsschutz beobachtete Zeitschrift Gegenstandpunkt. Auch Flugblätter der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) werden unter die Schüler gebracht.

Ein Umstand, den die Drahtzieher der FFF-Bewegung trotz zumeist gleicher Gesinnung gar nicht so gern sehen. „Keine Flaggen, keine Parteien“, lautet nämlich die Parole, die die Klimastreik-Organisatoren stets ausgeben. Niemand soll auf den Gedanken kommen, es handele sich bei der Massenbewegung in Wahrheit um ein rein linksradikales Projekt. Zu offensichtlich wäre die Verbindung der FFF-Führungsfiguren Luisa Neubauer, Carla Reemtsma, Jakob Blasel und Co., die alle der Grünen Jugend, der Jugendorganisation von Bündnis 90/Die Grünen angehören.

Auf den FFF-Demos ist noch eine weitere Organisation stets mit von der Partie: Extinction Rebellion (XR), eine radikale Klimaschutzorganisation. Auch sie nutzt die jeden Freitag erfolgenden Streiks der „Fridays for Future“-Bewegung, um vornehmlich junge Menschen für ihre Kampagnen zu gewinnen. Dabei geht XR deutlich weiter als die für Schüler maßgeschneiderten Streikkonzepte der FFF-Bewegung. Stehen Bei „Fridays for Future“ Erlebnis, Gewaltlosigkeit und der Anschein von Überparteilichkeit und Spontaneität im Vordergrund, so wirkt XR bereits auf deutlich radikalere Weise. Sie ruft zu zivilem Ungehorsam auf, nimmt in Kauf, mit Blockaden und fragwürdigen Aktionen mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Unter anderem versucht sie, „einen Geist der kreativen Rebellion zu wecken und zu erhalten, der dringend notwendige Veränderungen in unserer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Landschaft ermöglichen wird.“ 

Rein formell grenzt sich die FFF-Bewegung von XR ab. Doch wer hinter die Kulissen blickt, erkennt schnell eine weitgehende organisatorische Zusammenarbeit beider Bewegungen. Vielmehr ist Extinction Rebellion sogar maßgeblicher Antreiber der Schulstreikbewegung. Idee und Konzeption dieser Streiks stammen von dieser Organisation.

Es waren sogenannte „Aktivisten“ von Extinction Rebellion gewesen, die Greta Thunberg erst dazu verhalfen, zur Ikone der Klimabewegung aufzusteigen. Der Schwede Bo Thorén ist einer von ihnen. Er hatte für das damals gerade 16 Jahre alte Mädchen, das unter Eßstörungen, Schrei- und Weinattacken sowie unter Depressionen und dem Asperger-Syndrom leidet, für ihren Klimafeldzug inspiriert und sie ebenso unter seine Fittiche genommen, wie es der schwedische PR-Unternehmer Ingmar Rentzhog tat, der sie mit seinem Klimaunternehmen „We don’t have Time“ vermarktete und mit ihr Geld verdiente. 

Radikale Fanatiker bestimmen die Geschicke 

Erst Extinction Rebellion und sein Netzwerk ermöglichten es Greta Thunberg, Akkreditierungen für den UN-Klimagipfel in Kattowitz und den Weltwirtschaftsgipfel in Davos zu erhalten und dort ihre Reden zu halten, deren Inhalte maßgeblich aus der Feder dieser Organisation stammen dürften. Eine Bewegung, die schon lange vor Greta Thunberg und „Fridays for Future“ existierte.

Ihren Ursprung hat sie in London. Damals, vor vier Jahren, hatten der Biolandwirt und Sozialwissenschaftler Roger Hallam, die Biophysikerin und britische Grünen-Politikerin Gail Bradbrook und der sich selbst als „Social and Environment Justice Campaigner“ bezeichnende George Barda die Gruppe „Compassionate Revolution“ gegründet. Mitfühlende Revolution. Die Gruppe sollte sich später in „Rising Up!“, dann schließlich in Extinction Rebellion umbenennen. Die Namen wechselten, doch die Ziele blieben die gleichen. 

Und wie die Aussehen, läßt Roger Hallam in seinem Buch „Common Sense“ durchblicken. Demnach sollen durch Losentscheid zusammengesetzte Bürgerversammlungen die Regierungsgewalt in den westlichen Industrieländern übernehmen. Weil deren Demokratien „grundsätzlich korrupt“ seien. „Wir wurden korrumpiert. Von der Macht der Konzerne, der internationalen Eliten, der Reichen und der Mächtigen“, behauptet er in Video-Botschaften. Daher sollen die neuen Bürgerversammlungen auch gleich neue Gesetze zum Klimaschutz erlassen und eine neue Verfassung erarbeiten. 

Sein Mitstreiter George Barda tritt regelmäßig beim russischen Staatssender Russia Today auf. 2014 machte er bei dem Sender gegen das Fracking mobil. Heute ist er Geschäftsführer von „Compassionate Revolution Limited“. Das aus der Gründungsbewegung hervorgegangene Unternehmen wird im Impressum von Extinction Rebellion als Verantwortlicher benannt. Jegliche Spenden an XR gehen somit an dieses Unternehmen. Jegliche Verfügungsgewalt hat somit nicht die angeblich dezentral geführte Bewegung, sondern konkret „Compassionate Revolution.“ Kurz ausgedrückt: Eine kleine Gruppe radikaler Ökofanatiker bestimmt die Geschicke bei Extinction Rebellion. Eine Gruppe, die zudem maßgeblichen Einfluß auf die Gründung von „Fridays for Future“ ausübte und als der eigentliche Motor der Bewegung gilt.

Doch nicht nur „Fridays for Future“ wurde von Extinction Rebellion inspiriert, sondern auch die XR-Bewegung selbst. Denn ihr Konzept des zivilen Ungehorsams ist maßgeblich geprägt von den Ideen des linken amerikanischen Soziologen und Gründers der Industrial Areas Foundation, Saul Alinsky. In den Vereinigten Staaten wird ihm unter anderem ein großer politischer Einfluß auf Politiker wie Hillary Clinton und Barack Obama zugeschrieben, was ihn während der letzten beiden Präsidentschaftswahlkämpfe in den Fokus der Medien brachte. Hillary Clinton hatte sogar ihre Dissertation über Alinsky verfaßt. Eine Arbeit, die bis heute unter Verschluß ist.

Lesen Sie in der kommenden Ausgabe: Wie Extinction Rebellion Jugendliche für seine Klima-Ideologie ausbildet und instrumentalisiert.