© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/19 / 13. Dezember 2019

Kinderleichte Technik, die begeistert
Spielzeugmarkt: Die Begeisterung für Modelleisenbahnen hat abgenommen, doch Lehrreiches wird immer noch gern verschenkt
Tobias Albert

Es ist Adventszeit und wieder heißt es in zahlreichen Studentenkinos „Wat is en Dampfmaschin?“, wenn in der „Feuerzangenbowle“ Professor Bömmel die Physikstunde hält. So fundamental wie die Dampfmaschine für unsere Industriegeschichte ist, so einfach ist ihre Funktionsweise. Kinderleicht, dachte wohl die Firma Wilesco, und machte aus dem Industriekoloß diverse Spielzeuge im Miniaturformat – vom „Bausatz D5“ für 105 Euro über das „Dampf-Feuerwehrauto D305“ für 486 Euro bis hin zur „Dampfmaschine D32 elektrisch“ für 2.370 Euro.

Eine Dampfmaschine oder lieber ein Chemielabor?

Noch heute bewirbt die Lüdenscheider Wilhelm Schröder Metallwarenfabrik seine „höchste Qualität ’Made in Germany‘“, ganz so, als sei Deutschland immer noch auf dem Höhepunkt der Industrieproduktion wie zur Firmengründung 1912. Als Aluminiumgießerei fertigte Wilesco schon früh Puppenbesteck an und begann 1950 mit der Fertigung von Dampfmaschinen als Kinderspielzeug. Und tatsächlich ist deren Funktionsweise auch für Kinder verständlich: Ein Wasserkessel wird erhitzt, so daß Wasserdampf aus einem Rohr entweicht und in einen Zylinder strömt, in dem es einen Kolben bewegt. Wird dessen maximale Auslenkung erreicht, schaltet die Dampfzufuhr um und der Kolben kehrt in die Ausgangslage zurück. Die Wärme der Heizquelle wird zur Bewegungsenergie des Kolbens, die nun für verschiedenste Zwecke nutzbar ist.

Selbst ein Teelicht kann eine Miniaturdampfmaschine antreiben und auch die Kinder, die freitags den Physikunterricht schwänzen, lernen etwas. Sogar ein „Atomkraftwerk R 200“ stellte Wilesco in den 1960er Jahre her: Im kugelförmigen Sicherheitsbehählter aus Weißblech saß allerdings kein Reaktor, sondern ein Tauchsieder mit Kessel. Der so erzeugte Dampf ging dann an eine kleine Einkolbendampfmaschine. Der Abdampf ging in den AKW-Kühlturm, wie bei einem echten Kraftwerk. 1.500 Euro werden heute für solche politisch inkorrekten Wilesco-Gebrauchtexemplare geboten.

Auch den nächsten Meilenstein der Industriegeschichte gibt es immer noch: Die Eisenbahn verbindet nicht nur Menschen und Märkte, sondern hat als elektrische Modelleisenbahn einen Stellplatz in den Herzen unzähliger Kinder gefunden. Die Lokomotiven von Brawa, Fleischmann, Gützold, Piko, Tillig, Trix & Co zeigen, wie die Technik einst zur Massentauglichkeit gereift ist. Marktführer Märklin hat mit der bayerischen S 3/6 sogar eine Dampflok mit echtem Dampfantrieb im Programm. Die vor 160 Jahren im schwäbischen Göppingen gegründete Spielwarenfabrik mußte zwar 2009 Insolvenz anmelden und wurde 2013 von Simba-Dickie übernommen, doch ein Teil der Produktion findet immer noch dort statt. Die problembehaftete Fertigung in China, die das 2007 geschlossende Werk in Sonneberg (Thüringen) ersetzte, wurde ins ungarische Raab (Gyor) verlagert.

Auf einem breiteren Produktsortiment steht die Stuttgarter Firma Kosmos, die 1822 als Verlag gegründet wurde und ab 1904 eine naturwissenschaftliche Zeitschrift veröffentlichte.In den 1920er Jahren folgten die ersten Experimentierkästen für Chemie und Physik. Diese ursprünglich als Lehrmittel gedachten Produkte begeisterten die Schüler so sehr, daß sie bald die Kinderzimmer eroberten. Schaltkreisbaukästen, ein kleines Chemielabor oder auch kindgerechte Mikroskope mitsamt Objektfolien lassen Kinder auch hundert Jahre später immer noch die Natur spielerisch erforschen – auch im Bereich „Roboter & Programmieren“ oder das „Solar-Fußballstadion“ und der „Windrad-Baukasten“ sind dem grünen Zeitgeist geschuldet.

Globaler Spielzeugmarktführer ist aber der dänische Lego-Konzern. Mit 3,4 Milliarden Euro Jahresumsatz übertrifft die 1932 von dem Tischler Ole Kirk Christiansen gegründete Firma Märklin um das Dreißigfache. Während die Göppinger von Nostalgikern leben, scheint Lego solchen Tendenzen entgegenzuarbeiten: Eingefleischte Lego-Anhänger warten seit Jahren auf eine Box, in der nur die kultigen Bauklötze in 2x2-Quadraten und 4x2-Rechtecken enthalten sind. Legos Fokus auf weitere Produktfelder führte zu kuriosen Erfolgen: Auch aus Lego-Steinen zusammengebaute Autos benötigen Autoreifen, so daß Lego mit jährlich 730 Millionen produzierten Reifen zum größten Reifenhersteller der Welt avancierte.

1977 führte Lego die Reihe „Technic“ ein, die mit Zahnrädern, Elektromotoren und Pneumatikbauteilen Maschinen und Technik in die Lego-Welt brachte. Ob Geländewagen, Baukran oder Schaufelradbagger, mit der modularen Bauweise von Lego läßt sich fast alles konstruieren. Selbst ein lebensgroßer, fahrbarer Bugatti Chiron wurde bereits mit 2.304 Motoren aus echten Lego-Produkten angetrieben.

Auch die „Industrie 4.0“ hielt Einzug, mit der Mindstorms-Produktserie betrat Lego das Feld der Robotik. Seitdem können mit Sensoren ausgestattete Lego-Greifarme Bälle nach Farben sortieren und als humanoide Lego-Roboter durch die Spielzimmer wandeln. Wettbewerbe wie die First Lego League animieren Kinder und Jugendliche dazu, mit der Lego-Robotik die Welt der Technik zu erkunden und ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Ob Wilesco, Märklin, Kosmos oder Lego – statt des neuesten iPhones sollte es vielleicht zu Weihnachten Technik zum Anfassen geben.

 www.maerklinshop.de

 www.kosmos.de

 www.wilesco.de