© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/19 / 20. Dezember 2019

Ländersache: Sachsen-Anhalt
Habt Sonne nur im Herzen
Paul Leonhard

Die Schwarze Sonne ist im Koalitionsvertrag der schwarz-rot-grünen Regierung mit keiner Zeile erwähnt. Und doch hat sie den Himmel über der Landeshauptstadt Magdeburg so sehr verdunkelt, daß die farbenfreudige, aber seit ihrer Gründung 2016 äußerst brüchig wirkende Kenia-Koalition zu scheitern droht. Das Klima haben die Grünen mit einer einzigen Twitterfrage nachhaltig vergiftet: „Wie viele Hakenkreuze haben Platz in der CDU?“

Die provozierende Frage bezieht sich auf das CDU-Mitglied Robert Möritz, einen 29jähriger Physiotherapeuten, seit 2018 Beisitzer im CDU-Kreisvorstand Anhalt-Bitterfeld und Mitglied im Ortschaftsrat Löbnitz, von dem niemand Notiz genommen hätte, wenn dieser nicht auf eine Twitter-Nachricht reagiert hätte, in der sich ein Hallenser Juso darüber mokierte, daß im Grundlagenpapier der Landes-CDU stehe, der Islam gehöre nicht zu Deutschland (JF 51/19). „Der Islam ist mit den christlichen Werten, auf denen Deutschland aufgebaut ist, nicht vereinbar“, entgegnete Möritz. Dem SPD-Nachwuchs dürfte die Antwort mißfallen haben, mehr aber noch ein kleines Symbol auf dem Profilfoto des CDU-Politikers: ein Schwert, das in einem Kreuz steckt. Damit gab er kund, Mitglied im Verein Uniter zu sein, der von einigen Medien verdächtigt wird, rechtsextremistische Verbindungen zu unterhalten. Es haben sich aber „bislang keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für ein die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts begründendes strafbares Verhalten von Mitgliedern des Vereins Uniter e. V.“ ergeben, hatte die Bundesregierung vor rund einem Jahr mitgeteilt.

Weitere Recherchen im Facebookprofil von Möritz ergaben, daß er 2001 Ordner auf einer NPD-Demo war und auf dem Arm ein Tattoo jener Schwarzen Sonne trägt, die als Erkennungszeichen in der Neonaziszene gilt. Möritz rechtfertigte sich auf einer mehrstündigen Sondersitzung seines CDU-Kreisverbands, er sei mit 19 Jahren noch nicht gefestigt gewesen. Inzwischen distanziere er sich längst von extremistischen Strömungen und sei kein Uniter-Mitglied mehr. 

Aber diese Einlassung war aus Sicht der Grünen nicht glaubhaft. Nötig sei eine „klare Antwort der demokratischen Kräfte in der CDU“, forderten die grünen Gesinnungswächter. Insbesondere CDU-Landeschef Holger Stahlknecht  und Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) müßten „sich als klares Bollwerk gegen jeden Rechtsextremismus positionieren“. Wenn die CDU in Sachsen-Anhalt derzeit ins politische Absurdistan marschiere, müsse „sie wissen, daß sie die SPD als Partner verlieren wird“, argumentiert SPD-Landeschef Burkhard Lischka. Er vermisse einen „Aufschrei der Anständigen in der CDU“.

Aus Sicht Stahlknechts wiederum haben die Grünen „die Koalition in Frage gestellt“, und CDU-Generalsekretär Sven Schulze findet: „Ohne eine Entschuldigung knallt es, dann ist eine Fortsetzung der Koalition kaum denkbar.“ Allerdings dämmerte inzwischen allen drei Koalitionären, daß es bei ihrem Streit um die Schwarze Sonne einen lachenden Vierten geben könnte: die AfD. Teile der Landes-CDU plädieren längst für eine Zusammenarbeit mit der neuen Volkspartei. So stehen kurz vor Jahresende aus Angst vor der Zukunft in der Kenia-Koalition die Zeichen wieder auf Versöhnung.