© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/19 / 20. Dezember 2019

„Empfehlenswert und gut für die Nerven“
Extinction Rebellion: Die Klima-Aktivisten sind nicht so harmlos, wie sie tun / Enge Vernetzung mit der linksextremen Szene
Hinrich Rohbohm

Der Kontrast könnte kaum größer sein. „Hinsichtlich ‘Extinction Rebellion (XR)’ bestehen nach Erkenntnis der Bundesregierung keine Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen“, lautete die lapidare Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion im vorigen Monat. Nur „im Einzelfall“ und „nur anlaßabhängig“ würden sich „personelle Überschneidungen“ zu linksextremistischen Gruppierungen ergeben. 

Im Einzelfall? Nur anlaßabhängig? Recherchen der JUNGEN FREIHEIT ergeben ein deutlich anderes Bild, bei dem von „Einzelfall“ wahrlich keine Rede sein kann. „95 Prozent von uns bei XR sind natürlich in den Antifaschistischen Aktionen organisiert“, hatte ein sogenannter Aktionstrainer von Extinction Rebellion bei einer internen Schulung offenbart, an der die JF während einer verdeckten Recherche teilgenommen hatte. Zudem hatte sich der Aktionstrainer während der Veranstaltung auch als „Aktivist“ von „Ende Gelände“ zu erkennen gegeben. Einer Gruppierung, die als Produkt der Interventionistischen Linken (IL) gilt (JF 51/19). Laut Bundesamt für Verfassungsschutz bemühe sich die IL um eine „Zusammenführung linksextremistischer Akteure“ und agiert „als Scharnier zwischen militanten Gruppierungen und nicht gewaltorientierten Linksextremisten.

Auch in dem für die Ausbildung der „Aktivisten“ von Extinction Rebellion maßgeblichen „Bezugsgruppen-Reader“ sowie im „Handbuch für Aktionstrainings“ finden sich zahlreiche Hinweise auf eine enge Kooperation mit der linksextremen Szene. Neben Anweisungen im Falle einer Festnahme durch die Polizei („Nichts sagen!“) wird auf den „Demoreader“ der linksextremistischen Roten Hilfe verwiesen und für die Organisation geworben. So heißt es dort unter anderem: „Zum Thema Repression gibt es die Rote Hilfe Zeitung mit guten Beiträgen.“ Und: „Eine Mitgliedschaft in der Roten Hilfe ist empfehlenswert und gut für die Nerven.“

Im Bezugsgruppen-Reader finden sich auch Anleitungen zum Boykott einer Identitätsfeststellung durch die Polizei. „Das geht zum Beispiel durch Nicht-mitnehmen des Persos, mit Sekundenkleber die Fingerabdrücke verkleistern, mit Farbe im Gesicht biometrische Daten verwirren.“ Und für nähere Informationen verweist man unter anderem auf die Internetseite von „Ende Gelände“. 

Die Hinweise in dem Reader auf weitergehende Infomaterialien aus dem linksradikalen Spektrum sind zahlreich. Etwa der auf das vom Verlag Assoziation A herausgegebene Buch „Spitzel“. Der Verlag war 2001 durch eine Kooperation der aus der sogenannten „autonomen Szene“ hervorgegangenen Buchläden „Schwarze Risse“ in Berlin und „Rote Straße“ in Göttingen entstanden. Gegen beide Läden war in der Vergangenheit mehrfach von Polizei, BKA und Staatsanwaltschaft ermittelt worden. Unter anderem wegen Anleitungen zu Straftaten. 

Autoren des 2004 erschienenen Buches „Spitzel“ sind Klaus Viehmann und Markus Mohr. Viehmann ist ein ehemaliger zu 15 Jahren Haft verurteilter Mittäter der Stadtguerilla „Bewegung 2. Juni“, die in den siebziger Jahren unter anderem den West-Berliner Kammergerichtspräsidenten Günter von Drenkmann ermordete und den damaligen West-Berliner CDU-Landesvorsitzenden Peter Lorenz entführt hatte. „Der Lorenz-Klau war ein Sieg“, hatte sich Viehmann auch später vor Gericht weiter zutiefst fanatisiert gezeigt. Mehr Linksextremismus geht kaum noch. 

Auch bei Markus Mohr handelt es sich um einen überzeugten Kommunisten, der als Autor für das einstige Zentralorgan der SED, Neues Deutschland schreibt und eng mit der autonomen Szene vernetzt ist. Nach dem Verbot der linksradikalen Internetplattform „linksunten.indymedia“ schäumte er in dem Blatt: „Der Zugriff des Bundesinnenministeriums auf linksunten.indymedia ist ein weiterer Racheakt nach der Resistenz von Hamburg Anfang Juli, die den Ablauf des G20-Spektakels erfolgreich durcheinandergebracht hat.“ 

Sabotage gegen Castor-Transporte als Vorbild

Interessant: In einer älteren Ausgabe des Bezugsgruppen-Readers heißt es unter dem Abschnitt „Medien“: „Nicht jede Presse ist böse. Es gibt einige Medien, die manche ‘unsere eigenen’ Medien nennen. Dazu gehören z.B. Indymedia ...“ Weiter heißt es dort: „Nicht abwegig ist es, auch ein ‘eigenes’ Diskussionsblatt zu haben, sei es in gedruckter Form oder im Internet. Bekannte darunter sind: Interim (Berlin), Zeck (Hamburg), Analyse&Kritik (ak), lotta (NRW), swing (Frankfurt/Main) etc.“ Und: „Wenn es bei euch einen linken Buchladen, einen Infoladen oder linkes Café gibt, dann schaut da doch einfach mal vorbei, vielleicht findet ihr dabei was passendes“. Analyse&Kritik ist die Nachfolgezeitschrift vom Arbeiterkampf, der Zeitung des Kommunistischen Bundes, in dem einst grüne Politiker wie Jürgen Trittin, Angelika Beer, Thomas Ebermann, der ehemalige Chrfredakteur des Neuen Deutschland, Jürgen Reents, Rainer Trampert oder die inzwischen zur Linkspartei gewechselte Ulla Jelpke wirkten. 

Bei der Zeitschrift Interim handelt es sich dagegen um eine der wichtigsten Kommunikationsplattformen der autonomen Szene. Über sie hatten sich die ersten Antifagruppen organisiert, die durch zahlreiche Brandanschläge bekannt gewordene „militante gruppe“ nutzte das Blatt für seine Debatten. Der Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen bezeichnete Interim als „prägendes Sprachrohr der militanten Szene“, das „unverhohlene Aufforderungen und Anleitungen zu Gewalttaten“ enthalte. Auch Aufforderungen zu Anschlägen auf Castor-Transporte fielen darunter. 

Für die Sabotage-Aktionen gegen Castor-Transporte wurde übrigens ebenso nach den Anleitungen des Bezugsgruppen-Readers und des Handbuches für Aktionstrainings verfahren wie bei den Aktionen von Extinction Rebellion. Das Handbuch wurde von „Skills for Action“ erstellt. Einer Gruppierung, die sich selbst als „Netzwerk bewegungsorientierter Aktions-Trainer*Innen“ beschreibt. Als Herausgeberin und Verantwortliche im Sinne des Presserechts wird „S. Sommer, Gneisenaustraße 2a in 10961 Berlin genannt. Hinter dieser Adresse verbirgt sich der Mehringhof, ein linksalternatives Kulturzentrum aus der Hausbesetzerszene in Berlin-Kreuzberg. Es ist auch die Adresse des Antifaschistischen Infoblatts sowie der Sitz des Buchladens „Schwarze Risse.“ Und es ist die Postfach-Adresse von Interim. Ebenso hat das „Anwaltsbüro im Mehringhof“ hier seinen Sitz. Einer der dort tätigen Rechtsanwälte ist Sven Lindemann, der 2008/2009 die  „militante gruppe“ verteidigte. Die Rote Hilfe lädt regelmäßig zu Veranstaltungen in den Mehringhof. Früher hatte der sogenannte Ermittlungsausschuß zur Feststellung von Polizeiübergriffen hier seinen Sitz. Im Handbuch für Aktionstrainings wird überdies der Umgang mit unliebsamen Anfragen von Medien thematisiert. Ihnen könne gesagt werden, „daß sie sowieso viel bessere Bilder und Berichte bekommen,wenn sie entweder ein Rollenspiel des Trainings vorgespielt bekommen oder wenn sie an einem extra Training für Medienvertreter*innen teilnehmen“. 

Als Quelle für Blockadetrainings und Aktionen des zivilen Ungehorsams benennt das von Extinction Rebellion benutzte Handbuch für Aktionstrainings auch den Diplom-Psychologen Marc Amann und verweist auf dessen Internetseite. Der Autor des Buches „go.stop.act! Die Kunst des kreativen Straßenfestes“ nennt sich Trainer für gewaltfreie Aktion. Anfang August dieses Jahres hatte die Universität Bayreuth ihn als Referenten für eine Veranstaltung zum Thema „Recht auf Protest – wie weit darf mensch in der Klimakrise gehen?“ geladen. Als jedoch bekannt wurde, daß es sich bei Amann um einen Vertreter der Interventionistischen Linken handelt, wurde die Veranstaltung wieder abgesagt. Was umgehend Extinction Rebellion auf den Plan rief, die sich prompt mit dem „Trainer“ solidarisch erklärte und mit ihm ein Wochenendseminar unter dem Motto „JAmann“ organisierte. Auf der Tagesordnung: Aktionstrainings mit Marc Amann. Erkenntnisse, die der Bundesregierung offenbar allesamt entgangen sind. 

Lesen Sie in der kommenden Ausgabe Teil 4 unserer Serie: Wie Extinction Rebellion mit ersatzreligiös anmutenden Aktionen versucht, Endzeit-Stimmung und Klimahysterie zu entfachen.