© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/20 / 03. Januar 2020

Aufgeschnappt
Politisch beschlagen
Matthias Bäkermann

Ein Glücksfall“, so schreibt  Kommentator Dierk Rohdenburg in der Kreiszeitung Syke erleichtert, habe die niedersächsische Kleinstadt Wildeshausen zum 750. Stadtrechte-Jubiläum vor Schlimmeren bewahrt. Ausgerechnet ein Praktikant der Lokalausgabe habe rechtzeitig „die Symbole der Nazis entdeckt“, nämlich am Türknauf eines Nebeneingangs zum historischen Rathaus. Mit Schaudern erinnert Rohdenburg daran, daß „hier seit vermutlich achtzig Jahren Menschen ein und aus gingen“ und dabei die Hakenkreuze berührt haben. Daß diese „zugegebenermaßen nicht auf den ersten Blick erkennbar sind“, muß auch der Journalist eingestehen, aber mit reichlich antifaschistischer Phantasie ist in den Unendlichkeitsornamenten sowohl am Griff als auch am Beschlag die NS-Symbolik erkennbar.

Kurz vor Weihnachten erfuhren Bürgermeister Jens Kuraschinski und Baufachbereichsleiter Hans Ufferfilge von den Nazi-Türknäufen und waren geschockt. „Die werden sofort entfernt“, entschied Kuraschinski. „Es darf keine nationalsozialistischen Symbole in Wildeshausen geben.“ Nachdem der Hausmeister die Türbeschläge umgehend demontiert und auf oberste Amtsanweisung „unter Verschluß gebracht“ hatte, wurde bis auf weiteres der politisch böse kontaminierte Zugang gesperrt.