© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/20 / 03. Januar 2020

Rüdiger Safranski, verdienter Bewahrer deutschen Geistes, wird 75. Wir sagen Dank!
Hüter des Feuers
Matthias Matussek

Fanfarenstöße sind unverzichtbar, wenn einer wie Rüdiger Safranski – der wohl wortmächtigste deutschsprachige Philosophie- und Poesie-Erzähler – seinen 75. Geburtstag begeht. Ein Klassiker-Erklärer, der den Deutschen ihren großen Kanon an Dichtern und Denkern mit erstaunlichen Bestsellern ins Gedächtnis zu rufen vermocht hat. Er schreibt mitreißend, in Zeiten einer großen Bildungsamnesie, über Goethe und Schiller, die Romantiker, Schopenhauer, Nietzsche und Heidegger. Und er hat sich, ebenfalls publikumsnah und zugleich hochgescheit, philosophischer Probleme wie dem Bösen, der Wahrheit oder der Zeit angenommen. 

Soeben erschien, als vorläufiger Schlußstein der Klassikermonographien, seine Biographie über den rätselhaften Götterjüngling Hölderlin. Wenn er einsetzt mit der Vermutung, daß eine Annährung an diesen dem kaum gelingt, der unempfindlich für „göttliches Feuer“ bleibt, mag er damit dem Kritiker des Spiegel den Angriffspunkt für eine gehässig-giftige Kritik geliefert haben, aber natürlich hat er recht. Recht gegen politische Betonköpfe, denen das Metaphysische verdächtig ist. Wie anders ist wohl Hölderins Aufforderung „Komm! ins Offene, Freund!“ zu verstehen? 

Wie Hölderlin trug sich Safranski, am 1. Januar 1945 in Rottweil geboren und im pietistischen württembergischen Milieu aufgewachsen, mit der Idee eines Theologiestudiums, und wie Hölderlin träumte er von einer Revolution – in dieser Hinsicht ist „Hölderlin“ seine innigste und glühendste Biographie, vorgetragen in lakonischer Meisterschaft. 

Daß er, wie Hölderlin, ins Fadenkreuz der herrschenden Ideologie geraten ist, und das gleich zweimal, ist eine böse, aber unvermeidbare Ironie deutscher Geschichte. Denn in den siebziger Jahren, der „bleiernen Zeit“ der Sympathisantenjagd auf Linke, war Rüdiger Safranski, Schüler bei Adorno, in einer kommunistischen Studentenvereinigung engagiert. Eine akademische Karriere als Beamter war ihm so verbaut. Gott sei Dank – denn es öffnete ihm den Fluchtweg in die Literatur. Ohnehin war er unbrauchbar geworden für die Verdummungen und Vergröberungen, in denen die linke Theorie verendete. Da war kein Aufbruch ins Offene mehr zu spüren!

Später nun hat sich Safranski als Kritiker der „Flüchtlingspolitik“ vorgewagt. Das machte ihn den linken medialen Flakhelfern verdächtig. Doch ist er mutig genug, sich durch die Sympathisantenjagd auf „Rechte“ nicht einschüchtern zu lassen und in eine Sklavensprache zu flüchten. 

Nun sind die, von denen er sich losgesagt hat, am Drücker. Und sie sind ähnlich nuancenlos, wie das System es war, gegen das sie einst Stellung bezogen haben. Eine so typische deutsche Intellektuellenbiographie!

Bleibt uns, Safranskis Lesern, nur zu hoffen, daß er weitere Türen öffnet in dieser neuen „bleiernen Zeit“ und uns entzündet, mit göttlichem Feuer und mit heldischem Mut!