© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/20 / 03. Januar 2020

Grüße aus Santiago de Cuba
Endlich mal Tomatenmark
Alessandra Garcia

Diesmal bekommen es auch die Touristen zu spüren: Auf Kuba gibt es kaum noch in Flaschen abgepacktes Trinkwasser, keinen Saft, keine Limonade, kein Tomatenmark, keine tiefgefrorenen Hühnchen. 

Die Devisengeschäfte sehen in ihrer Eintönigkeit inzwischen aus wie die Läden, in denen die Werktätigen mit ihren nationalen Pesos bezahlen: Regalmeter stehen voller Schokoladenkekse und Konserven. Leerer sind nur die Ausgabestellen auf Lebensmittelkarten. Einzige Ausnahme ist die Hauptstadt. Havanna feierte sein 500. Gründungsjubiläum und durfte aus diesem Anlaß sogar das spanische Königspaar begrüßen.

Die kommunistische Regierung hatte die alte Dame aus diesem Anlaß herausgeputzt. In ein prächtiges Kleid gezwängt, mußte sie sich gegenüber den Geburtstagsgästen so drehen und wenden, daß weder die Flicken zu sehen waren, noch das schmutzig-löchrige Unterkleid. Vom Gestank lenkte ein buntes Kulturprogramm ab.

Der Strom ist wieder ausgefallen. Die Menschen im Laden werden hinauskomplimentiert.

Die Menschen in den Provinzen litten und leiden derweil noch stärker als sonst unter der Mangelwirtschaft. Schuld ist diesmal nicht das systembedingte schlechte Management, sondern die konsequente US-Embargopolitik. Ohne ausreichend Treibstoff aus Venezuela schafft es der sozialistische Inselstaat nicht mehr, Waren kontinuierlich zu transportieren.

Damit ist jeder Einkauf reine Glückssache. Man muß gerade vor Ort sein, wenn ein Lieferwagen vor einem Devisengeschäft vorfährt. Vor dem „El Albion“ in Santiago de Cuba komme ich gerade dazu, als sich eine Schlange bildet. Es gibt weder Wasser noch Saft. Die Kühltruhen sind leer, aber Tomatenmark ist da. Es gibt zwei Tetrapack pro Kunden. Schnell wächst die Schlange. Dann flackert es kurz und die Wartenden stöhnen.

Der Strom ist mal wieder ausgefallen. Die  Menschen im Laden werden hinauskomplimentiert. Unter den vor der nun zugesperrten Tür Wartenden spekuliert jeder für sich: Lohnt es sich zu warten? Zwei Dutzend Leute halten die Stellung. Dann geschehen zwei kleine Wunder: Als erstes öffnet eine Verkäuferin die Tür einen Spalt, während ihre Kollegin einen Tisch heranschiebt und eine dritte mit Taschenrechner, Stift und Papier Platz nimmt. Offenbar hat sich das Ladenkollektiv entschieden, den Verkauf per Handkasse fortzusetzen. Just in dem Moment aber, als alles bereit ist, leuchten die Displays der Kassen auf. Es ist wieder Strom da und noch Tomatenmark für bestimmt 50 Personen.