© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/20 / 03. Januar 2020

Was die Mietpreisbremse anrichten kann
Wohnungsmarkt: Private Investoren bauen keine neuen Wohnungen, wenn die Renditen nicht mehr stimmen
Markus Brandstetter

Im Juni 2015 ist das Gesetz zur Mietpreisbremse bei der Neu- oder Wiedervermietung von Wohnungen in Kraft getreten. Es sieht vor, daß die Miete beim Abschluß eines Mietvertrags maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Neubauten und umfassend sanierte Wohnungen sind ausgenommen. Für welche Gebiete eine solche Mietpreisbremse gelten soll, können die Bundesländer per Rechtsverordnung festlegen. Viele Länder haben davon inzwischen Gebrauch gemacht und Gebiete definiert, die der Mietpreisbremse unterworfen sind.

Berliner Mietendeckel verfassungswidrig?

Das Bundesverfassungsgericht hat im August 2019 – absolut erwartungsgemäß, denn Karlsruhe macht jetzt immer öfter politische Justiz – entschieden, daß die gesetzlichen Vorschriften zur Mietpreisbremse verfassungsgemäß sind und Vermieter nicht in ihren Rechten beeinträchtigen (JF 35/19). Inzwischen wird die Mietpreisbremse in Hunderten von Städten und Gemeinden in ganz Deutschland angewandt.

In Berlin wird dieser Entwicklung mit dem Mietendeckel des rot-rot-grünen Senats sogar noch eins draufgesetzt. Der Mietendeckel sieht vor, daß die Mieten in Berlin auf dem Stand vom Juni 2019 auf fünf Jahre hinaus eingefroren werden. Bayern könnte dem vielleicht folgen: Hier läuft zur Zeit eine Unterschriftensammlung für das von SPD, Linken, Mietervereinen und Gewerkschaftlern getragene Volksbegehren „Sechs Jahre Mietenstopp“. Wird diese Initiative Gesetz, sollen Verstöße dagegen mit bis zu 500.000 Euro bestraft werden.

Diese Maßnahmen wurden ergriffen, um die seit 2010 in Deutschland stark gestiegenen Mieten wenn schon nicht zu senken, so doch in bezahlbaren Grenzen zu halten. Das mag ein nobles Motiv sein, nur funktioniert der Wohnungsmarkt nicht so. Untersuchungen zeigen, daß die Mietpreisbremse so gut wie keine Wirkung hat, während der Berliner Mietendeckel wahrscheinlich verfassungswidrig ist. Aus Sicht der Mieter sind beide Regelungen ein Schuß in den Ofen. Aber es kommt noch schlimmer: Nicht nur senken solche Gesetze die Mieten nicht – sie erhöhen sie mittelfristig sogar. Das ist etwas, das unter Volkswirten weltweit und seit Jahrzehnten bekannt und gut erforscht ist.

Als 1990 464 in den USA tätige Ökonomen gefragt wurden, was sie von Mietbegrenzungen hielten, waren sich 93 Prozent darin einig, daß „Mietpreiskontrollen Qualität und Angebot an Mietwohnungen reduzieren“. Und dieser Meinung waren nicht nur bekannt liberale Nobelpreisträger wie Milton Friedman und Friedrich von Hayek, sondern auch Sozialdemokraten wie der schwedische Nobelpreisträger Gunnar Myrdal, der feststellte: „Mietpreiskontrollen in westlichen Ländern sind das schlimmste Beispiel für die schlechte Planung von Regierungen, denen es an Mut und Zukunftsperspektiven fehlt.“

Was volkswirtschaftlich passiert, wenn Mietpreiskontrollen eingeführt werden, und was die Gründe dahinter sind, ist aus vielen Studien bekannt. Die erste Konsequenz besteht darin, daß Investoren keine neuen Wohnungen bauen, weil die Renditen nicht mehr stimmen, da sie entweder an anderen Orten oder in anderen Geschäftsfeldern höhere Renditen erzielen können.

Nach dem Renovierungsstau droht die Deregulierung

Niemand investiert Millionen, um Wohnungen zu bauen, wenn er nicht kalkulieren kann, was er damit verdient. Und auch die Beschaffung von Bankkrediten dafür wird in einem regulierten Markt wesentlich schwieriger. Die nächste Auswirkung ist die, daß Vermieter keinen Anreiz haben, Wohnungen zu renovieren, wenn sie die Kosten dafür nicht mehr auf die Miete umlegen können.

Dies führt binnen weniger Jahre dazu, daß Mietshäuser veralten und genau die Viertel, wo Renovierungen am nötigsten wären, verfallen, was in der Endkonsequenz zur Bildung von Slums und Problemvierteln führt, in denen die Kriminalität steigt. Es ist ironisch, daß ausgerechnet die Parteien, die jeden Tag von der Klimakatastrophe reden und bis 2050 einen klimaneutralen Häuserbestand fordern, mit dem Mietendeckel ein Gesetz auf den Weg gebracht haben, das die klimafreundliche Ertüchtigung von Mietshäusern sabotiert.

Mietpreiskontrollen haben auch die Eigenschaft, Mieter in einen unfairen Wettbewerb untereinander zu katapultieren. PÖraktisch läuft das so: Wohnt ein Mieter erst einmal in einer großen, schönen Wohnung, deren Miete auf Jahre eingefroren ist, dann hat er keinen Grund, diese Wohnung zu verlassen, und zwar auch dann nicht, wenn er eine Wohnung dieser Größe nicht mehr braucht. Dadurch kommt es in der Folge zu einer Verschwendung von knappem Wohnraum, der dann denen, die ihn am meisten bräuchten, z.B. Familien mit Kindern, nicht mehr zur Verfügung steht.

Das Ergebnis all dieser Marktverzerrungen ist: Nach Jahren, manchmal erst Jahrzehnten, werden die Mietpreiskontrollen dann wieder abgeschafft, weil inzwischen alle gemerkt haben, daß sie ihren Zweck nicht erfüllen. Und dann steigen die Mieten wirklich, jetzt holen sich die Vermieter das, was ihnen jahrelang versagt wurde. Jetzt wird der Renovierungsstau beseitigt, überall werden nun neue Bäder, Fenster und Heizungen eingebaut, was Wohnraum noch teurer macht. Empirische Erfahrung aus einer Vielzahl von Städten insbesondere in den USA zeigt, daß die Mieten nach der Deregulierung des Wohnungsmarktes viel stärker steigen, als sie es getan hätten, wenn nie Mietpreiskontrollen eingeführt worden wären.

Allerdings muß man gar nicht bis nach Amerika gehen, um zu sehen, was staatliche regulierte Mietpreise anrichten, ein Blick in die Schweiz genügt. In Genf ist seit Jahrzehnten ein Mietendeckel in Kraft, was langjährigen Bestandsmietern erlaubt, für 900 Euro pro Monat in schönen Altbauwohnungen zu leben. Aber nur denen. Bei Neuvermietungen werden in Genf heute 1.600 Euro für Zweizimmerwohnungen und 3.500 Euro für Vierzimmerwohnungen aufgerufen. Die Mieten im nicht regulierten St. Gallen sind um ein Drittel billiger.

„Evaluierung der Mietpreisbremse – Untersuchung der Wirksamkeit der 2015 eingeführten Regelungen zur Dämpfung des Mietanstiegs“:  www.bmjv.de





Zuwanderung bringt Wohnungsnot

Warum steigen die Mieten in den deutschen Boom-Regionen? „Der starke Zuzug aus dem Ausland ist hierbei der ausschlaggebende Faktor, denn die natürliche Bevölkerungsentwicklung als Saldo von Geburten und Sterbefällen ist in Deutschland nach wie vor negativ“, konstatiert der „Immobilienmarktbericht Deutschland 2019“ des Arbeitskreises der Oberen Gutachterausschüsse (AK OGA). Das Geburtendefizit betrage zwar 150.000 pro Jahr, aber im Vergleich zu 2011 ist die Bevölkerung um mehr als 2,6 Millionen auf über 83 Millionen gestiegen. „Insbesondere die Metropolen in Deutschland weisen hohe Zuzugsraten aus dem Ausland auf“, so der AK OGA. Den höchsten jährlichen Bevölkerungszuwachs hatte Bayern mit einem Plus von gut 150.000 Personen, gefolgt von Baden-Württemberg (+144.000) und Berlin (+93.000). Hinzu komme: „Durch Zuzug von jungen Menschen als auch durch die Alterung der Gesellschaft sinkt die Haushaltsgröße immer mehr und führt zu einer hohen Dynamik bei der Wohnungsnachfrage.“ Der jährliche Neubau von knapp 300.000 Wohnungen reiche nicht aus. „Außerdem werden nicht alle genehmigten Wohnungen tatsächlich realisiert, sei es aus strategischen, organisatorischen oder kalkulatorischen Gründen.“ (fis)