© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/20 / 03. Januar 2020

EU will den Spritverbrauch überwachen
Digitalisierung des Verkehrs: Verbraucherschützer fordern Anonymisierung der Daten / Neue Klagechance für die Deutsche Umwelthilfe?
Christian Schreiber

Seit April 2018 müssen alle Neuwagen in der EU mit eSIM-Karte ausgerüstet werden. Mobilfunktechnik und passende Sensorik sollen Unfälle automatisch erkennen und an Notrufzentralen melden. Doch technischer Fortschritt kann auch mißbraucht werden: Die EU-Kommission verlangt nun, daß ab 2021 in allen neuen Fahrzeugen ein On-Board Fuel Consumption Measurement verbaut sein muß. Die OBFCM-Technik mißt permanent den Sprit- bzw. Stromverbrauch. BMW und VW bereiten sich darauf vor. Daimler hat schon OBFCM-Modelle im Programm: „Im Vergleich zu den zertifizierten Normwerten kommt es im realen Fahrbetrieb regelmäßig zu Abweichungen“, sagt ein Mercedes-Sprecher. Daher unterstütze man Neuregelung.

Fahrzeuge könnten Daten direkt senden

Die Regelung ist Teil des neuen Verbrauchs- und Abgastestverfahrens WLTP (JF 21/18). Die Daten sollen zwar anonymisiert werden, fraglich ist, wie diese an die EU-Behörden übermittelt werden. Trotzdem hegen Experten schon viele Zweifel, ob diese Maßnahme den Datenschutzrichtlinien entspricht. 

Möglichkeiten zur Übermittlung gibt es einige. So könnten die Daten bei der TÜV-Hauptuntersuchung ausgelesen und an die EU-Kommission übertragen werden. Auch Stichprobenkontrollen im Straßenverkehr sind denkbar. Sie könnten aber auch von Fahrzeugflotten, beispielsweise Autovermietungen, erhoben werden oder automatisiert, drahtlos und direkt vom Fahrzeug an die EU-Kommission übermittelt werden. 

„Bei der automatisierten Übertragung liegt die Verantwortung beim Hersteller, und das Fehlerrisiko durch die direkte Datenübertragung an die Kommission wäre minimiert“, sagt Peter Mock vom International Council on Clean Transportation (ICCT). Die Auslesung beim TÜV würde die Datenübertragung dagegen stark verzögern, da in einigen EU-Staaten die erste Hauptuntersuchung erst nach vier Jahren verpflichtend ist. Die EU-Kommission will sicherstellen, daß die vom Hersteller angegebenen Verbrauchswerte weniger stark vom tatsächlichen Kraftstoffverbrauch abweichen als bisher. Laut dem von Klimaaktivisten und US-Stiftungen finanzierten ICCT lag der reale Kraftstoffverbrauch neuer Pkw zuletzt durchschnittlich um 39 Prozent über dem von den Fahrzeugherstellern angegebenen Testverbrauch.

Um die Totalüberwachung von Autofahrern zu verhindern, fordern Verbraucherschützer hinsichtlich der Datenspeicherung und deren Verwertung größtmöglichen Schutz. „Dazu ist nach unserer Ansicht ganz klar eine Anonymisierung der Daten erforderlich, damit sie nicht bestimmten Fahrerinnen oder Fahrern zugeordnet werden können“, sagte ein ADAC-Sprecher dem Magazin Auto Motor Sport. Das gelte für alle im Auto entstehenden Daten. Er mahnte „einen zeitgemäßen Schutz, Transparenz gegenüber den Verbrauchern und grundsätzliche Datensparsamkeit“ an.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht andere Probleme. Der Abmahnverein hält beispielsweise die beschlossene Praxis für unzureichend, weil die Daten vorerst nur zu Monitoring-Zwecken erhoben werden. Weiter sei bislang offen, wer Zugang erhält und welche Konsequenzen bei festgestellten Verstößen erfolgen. Die DUH fordert Messungen des realen Spritverbrauchs im Rahmen der Typzulassung sowie amtliche Nachmessungen. Auch Fahrzeughalter müßten Zugang zu den Daten erhalten, um bei einem überhöhten Mehrverbrauch ihre Rechte gegenüber den Herstellern durchsetzen zu können.

Ungemach droht aber nicht nur den Herstellern von Spritschluckern, sondern auch den Autofahrern selbst, denn sie könnten zum sparsamen Fahren gezwungen werden. Denkbar wäre laut Experten beispielsweise die Einführung einer CO2-Verbrauchsbesteuerung. Fahrer, die sparsam fahren, würden dann steuerlich entlastet. Fahrer, die viel Kraftstoff verbrauchen, müßten hingegen mehr zahlen – zusätzlich zu den ohnehin CO2-bespreisten Kraftstoffen. 

In den sozialen Netzwerken tobt bereits der Kampf um die Meinungshoheit zwischen Umweltaktivisten und besorgten Bürgern. „Jetzt fängt die Abzocke richtig an“, heißt es. „Fürchterlich!“ oder auch „Überwachungsstaat“, kommentieren die Nutzer. Ein anderer schreibt: „Cool; wir regen uns über Überwachung in China auf – sind aber auch nicht besser: Spritverbrauch wird künftig individuell überwacht“.

„One goal, multiple pathways: A review of approaches for transferring on-board fuel consumption meter data to the EC“:  theicct.org