© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/20 / 03. Januar 2020

Niveau macht nicht froh
Das Musical „Cats“ als Film im Kino. Nur wozu?
Dietmar Mehrens

Der Versuch einer Inhaltsangabe von „Cats“ ist eine Prüfung, bei der Kritiker nur durchfallen können. Dennoch sei es hier gewagt, zu schildern, worum es in Andrew Lloyd Webbers Sensationserfolg geht: In einer dunklen Straßenecke von London wird eine Katze in einem Kartoffelsack in den Müll geworfen und von anderen Katzen, Straßenkatzen, gerettet. Die gerettete Katze ist in Wahrheit, wie alle anderen Katzen in dem Musical auch, ein Mensch in einem Katzenkostüm und heißt Victoria.

Den Rest des Films verbringen die Katzen damit, sich singend und tanzend durch Londoner Straßen und Gebäude zu bewegen. Irgendwann kommt ein offenbar von Mackie Messer inspirierter schwarzer Kater namens Macavity (Idris Elba) ins Spiel und wirbelt die anderen Katzen durcheinander, bis endlich eine von ihnen, die Erwählte, auf Beschluß einer zotteligen Angorakatze (Judi Dench) mit einem Ballon in die Sphäre der Erlösung entrückt wird, wo sie laut Verheißung ihr verkorkstes Katzenleben noch mal neu beginnen kann –  ein Angebot, das leider für den Film nicht gilt.

Phantastische Musikstücke

Zugrunde liegt dem Musical die Gedichtsammlung „Old Possums Katzenbuch“ (1939) des US-Literaten und Nobelreisträgers T.S. Eliot. Was Taylor Swift („Bombalurina“) zur Mitwirkung an Tom Hoopers Musicalverfilmung bewogen hat, ist klar: Sie durfte mit „Beautiful Ghosts“ ein Lied beisteuern. Bei verdienten Shakespeare-Darstellern wie Judi Dench und Ian McKellen hingegen muß wohl das Schmerzensgeld so hoch gewesen sein, daß es sich noch zumutbar anfühlte, in die reichlich albern aussehenden Katzenkostüme zu schlüpfen.

Während die Menschen in Katzenkostümen damit beschäftigt sind, mit beachtlicher Körperbeherrschung durch die künstlichen Kulissen zu turnen und dabei, zugegeben, fantastisch arrangierte Musikstücke zum Besten geben, haben die Menschen im Kinosaal jede Menge Zeit darüber nachzudenken, was das Ganze soll. Immerhin ist „Cats“ eines der erfolgreichsten Musicals aller Zeiten und lief allein in London nach der Uraufführung 1981 einundzwanzig Jahre lang, in Hamburg immerhin fünfzehn. Am einleuchtendsten dürfte die Erklärung sein, die das Stück, aus dem Munde des von Ian McKellen verkörperten Theaterkaters Gus, selbst liefert: Den Menschen geht‘s nicht um Niveau, Hauptsache, man macht sie froh!