© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/20 / 03. Januar 2020

Der Audiomarkt wächst rasant
Podcast und Radio: Große und kleine Anbieter schaffen neue Hörformate
Christian Schreiber / Gil Barkei

Der sich permanent im Wandel befindliche Audio-Markt nimmt weiter an Fahrt auf und wird internationaler. Wie lukrativ der Markt eingeschätzt wird, zeigt sich neben dem neu geschaffenen „Deutschen Podcast Preis“, der im März zum ersten Mal verliehen wird, am Engagement der großen Medienunternehmen. 

Schon Ende März startete RTL die eigene zentrale Online-Plattform Audio Now mit einem Mix von Unterhaltung bis Information. Dabei sind neben Exklusivproduktionen von RTL, Ufa und Gruner + Jahr auch die Audioserien deutscher Radiosender wie Antenne Bayern sowie die Podcasts von Spiegel Online und der New York Times abrufbar. Im Frühjahr will ProSiebenSat.1 nun mit seinem Dienst FYEO („For Your Ears Only“) nachziehen und dann Hörspiele, Dokumentationen sowie „einzigartige Audio-Blockbuster-Formate“ ins Programm nehmen. 

Patriotische Angebote entstehen

Das aus Dänemark stammende Start­up Podimo hat von Investoren sechs Millionen Euro Startkapital gesammelt und im November seine App gestartet, die das „Netflix für Podcasts“ werden und Nutzern individuelle Vorschläge bieten will. „Wir sehen weltweit eine große Nachfrage nach Audio-Inhalten von verschiedenen Zielgruppen“, erklärte Podimo-Gründer Morten Strunge. Die Leute würden sich immer stärker nach werbefreien Premium-Diensten umsehen, „hier sehen wir ein großes Potential für Podcasts“. 

Podimo bietet für 4,99 Euro monatlich exklusiv produzierte Inhalte an und verspricht wiederum den Podcastern, sie an den Erlösen zu beteiligen. Anteilig aufgeschlüsselt danach, wieviel Zeit der Nutzer im Monat mit dem jeweiligen Podcast verbringt. Bisher ist die Umwandlung ihrer Produkte in Geld ein Knackpunkt für viele potentielle Audiostars. Sponsoren, die ganze Formate tragen, Werbung, die am Anfang einer Folge kurz ein Produkt vorstellt, oder dotierte Exklusivverträge von Plattformen und Medienhäusern bekommen meistens nur bekannte Persönlichkeiten oder bereits erfolgreiche Podcasts.

Mit der Verdienstaussicht will sich Podimo gegenüber der Konkurrenz abheben. Doch direkt zum Start hagelte es bereits Kritik. So soll sich der dänische Anbieter für seine Gratis-Version einfach aus kostenlosen RSS-Feeds bedient und in seinem Katalog angeboten haben. Dabei handelt es sich um eine Datei, in der Informationen über den Podcast gespeichert sind wie Name, Folgentitel oder Beschreibungstexte. Über diesen Weg habe Podimo Inhalte angeboten, ohne mit den Rechte­inhabern Verträge abgeschlossen zu haben. Die Gründer haben mittlerweile reagiert und das Angebot modifiziert; sie sprechen von Kinderkrankheiten. 

Etwas „Neues“ bieten, das wollen auch Merve Kayikci und Katrin Rönicke mit ihrem Podcast „Maschallah“ beim Anbieter Deezer. Sie haben sich beim Formate-Wettbewerb „Originals gesucht“ durchgesetzt, den Deezer zusammen mit der Digitalkonferenz „republika“ ausgeschrieben hatte. Der Podcast soll „mit noch immer präsenten Klischees“ über deutsche Moslems brechen. Dafür besucht er „Muslime in Deutschland und erkundet, wie sie leben, wie sie arbeiten, woran sie glauben, was ihnen Sorgen macht und was ihnen Hoffnung gibt“. 

Aber auch auf der patriotischen konservativen Seite gibt es mittlerweile mehrere Podcast-Angebote. So bietet der Jungeuropa-Verlag das Format „Von rechts gelesen“ an, und Ende Oktober startete der Podcast „Die Schwarze Fahne“. Zudem brachte das Onlinemagazin „Anbruch“ für „Kultur & Künftiges“ die ersten Folgen von „Wer redet ist nicht tot“ auf die Audio-on-Demand-Dienste. „Zunächst einmal wollen wir einen Hinweis darauf geben, daß Konservative auch entspannter sein können als die Mimik von Björn Höcke“, sagen die beiden Macher Tano Gerke und Jonas Mahraun gegenüber der JUNGEN FREIHEIT und lassen selbstbewußt durchblicken, daß sie sich mehr Experimentierfreude von rechts auf dem Audiomarkt wünschen. „Angesichts humorbefreiter Theorielastigkeit gilt für uns heute: Die einzige Chance, nicht verrückt zu werden, ist: es zu sein.“ Solange man sich ihrem „jazzigen Ansatz nicht öffnet“, sehen sie kein Potential für konservative Podcasts.

Zu welchen im Mainstreamrundfunk kaum möglichen Gesprächskonstellationen der neue Zuhör-Trend führen kann, zeigte der Video-Podcast „100% Realtalk“ der beiden Berliner Rapper B-Lash und MC Bogy, die in Folge 19 den linken Hiphop-Unternehmer Marcus Staiger und den aus Eritrea stammenden AfD-Politiker Homib Mebrahtu eingeladen hatten.

Während der Kampf um die Podcasthörer im vollen Gange ist, ist der Radiomarkt ebenfalls um einen Sender reicher. Mit Radio Arabica bekam erstmals ein arabischsprachiger Radiosender eine Lizenz in Berlin zugewiesen. Für vorerst sieben Jahre darf das Angebot der Media Arabica Radio und Broadcast GmbH eine DAB+-Kapazität nutzen. 

„Wir freuen uns, daß die Radiolandschaft der Hauptstadtregion mit Radio Arabica noch vielfältiger wird“, so Hansjürgen Rosenbauer, Vorsitzender des zuständigen Medienrats. „Neben einem französischen, russischen, türkischen, englischen und amerikanischen Radioprogramm gibt es somit auch ein Angebot für die arabische Bevölkerung.“