© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/20 / 10. Januar 2020

Künftig nur noch „modern, tolerant und inklusiv“
Kroatien: Die überraschende Wahl des Sozialdemokraten Zoran Milanovic zum Präsidenten offenbart schonungslos die Schwächen der Konservativen
Paul Leonhard

In Kroatien ist die Überraschung perfekt. Sozialdemokrat Zoran Milanovic, von 2011 bis 2016 Regierungschef, hat sich bei den Präsidentschaftswahlen auch in der Stichwahl gegen Amtsinhaberin Kolinda Grabar-Kitarovic durchgesetzt. Rund 53 Prozent der Wähler gaben dem 53jährigen Zagreber Juristen ihre Stimme. 

Dabei ist die Mehrheit der 3,8 Millionen Wahlberechtigten eher konservativ eingestellt. Beim ersten Wahlgang stimmten 62 Prozent für einen der beiden nationalen Kandidaten. Am 23. Dezember vereinte Milanovic zwar mit 29,5 Prozent die meisten Wählerstimmen auf sich, was schon als überraschend galt, aber die in den Prognosen als Favoritin gesetzte Grabar-Kitarovic folgte mit 26,7 und der als rechtsnational geltende Volkssänger und Geschäftsmann Miroslav Skoro mit fast 24,5 Prozent. Angetreten waren insgesamt elf Kandidaten.

Deutlich wurde im Wahlkampf, wie tief gespalten das Balkanland noch immer ist. Insbesondere die Rolle Kroatiens während des Zweiten Weltkrieges, als sich die faschistische Ustascha und die kommunistischen Partisanen gnadenlos bekämpften, wird ebenso unterschiedlich bewertet wie der Umgang mit kroatischen Kriegsverbrechern aus dem Krieg gegen Serbien zwischen 1991 und 1995. Dazu kommen tickende Zeitbomben wie die Situation der in Bosnien-Herzegowina lebenden Kroaten und das angebliche Verschweigen von Übergriffen auf die serbische Minderheit im eigenen Land.

Als Präsidentin hatte Grabar-Kitarovic für Unruhe gesorgt, als sie dem Kriegsverbrecher Slobodan Praljak huldigte oder versprach, sich für die „Rechte der unterdrückten Kroaten“ im Nachbarland einzusetzen. Milanovic dagegen nannte als sein Ziel, Kroatien „aus den Fängen des Nationalismus“ zu befreien und wieder zu einem „normalen Staat“ mit unabhängiger Justiz und Respekt für Minderheiten zu machen.

Damit konnte Milanovic vor allem bei der städtischen Bevölkerung punkten. In Zagreb, Split, Rijeka und Osijek erzielte er die meisten Stimmen. Außerdem gelang es ihm, das sozialdemokratische Lager zu mobilisieren, während das nationale Lager sich gespalten präsentierte, seit Skoro die in unter Ministerpräsident Andrej Plenkovic nach links gerückte nationalkonservative Partei der Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) verlassen und selbst für das Amt des Präsidenten kandidierte.

Die Ablehnung Grabar-Kitarovics ist am rechten Spektrum offenbar so groß, daß lieber der Wahlsieg Milanovics in Kauf genommen wurde, als für die HDZ-Kandidatin zu stimmen. Auch hatte Skoro keine Wahlempfehlung ausgesprochen, sondern angedeutet, bei der für Oktober anstehenden Parlamentswahl mit einer noch zu gründenden Partei in den Wahlkampf zu ziehen.

Für Plenkovic beginnt damit der Kampf ums politische Überleben. Starke Kräfte innerhalb der von ihm auf einen proeuropäischen Kurs getrimmten HDZ wollen – angesichts des Erfolges von Skoro insbesondere bei jungen Wählern – wieder verstärkt auf die nationale Karte setzen.

Milanovic zeigt sich dagegen schon vor der offiziellen Amtsübernahme Mitte Februar staatstragend: „Ich hoffe, daß wir uns alle um gemeinsame Werte versammeln werden, und daß wir endlich ein modernes, tolerantes, inklusives Kroatien bauen werden, wo jeder für seine Taten verantwortlich ist, und daß wir vorwärtsschreiten, uns dort anbinden, wo wir hingehören, und das ist die EU und die Nato.“