© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/20 / 10. Januar 2020

„Windbürgergeld“ soll Anwohner mit Energiewende versöhnen
Roter Ablaßhandel
Jörg Fischer

Die Bundesstraßen 7 und 400 zwischen Kassel und Eisenach sind  Todesstrecken, denn seit 29 Jahren verzögern rot-grüne Autohasser den Lückenschluß zwischen der A4 und der A44. Bachläufe, Fledermäuse, Gelbbauchunken, Kammolche und Spechte sowie der Lärmschutz und Kostenargumente mußten herhalten, um die unverzichtbare europäische Ost-West-Verbindung aufzuhalten.

Geht es aber um Windkraft, sind Geld oder gar Natur- und Anwohnerschutz egal. Mindestabstände von 1.000 Metern zwischen Windrädern und Wohnhäusern? Für Unionsfraktionsvize Andreas Jung Teufelswerk, denn der grüne CDUler sitzt im Kuratorium der Stiftung Energie & Klimaschutz Baden-Württemberg. Auf der malerischen Insel Reichenau am Bodensee, wo der 44jährige Rechtsanwalt mit seiner Familie wohnt, drohen solche lauten Ungetüme schließlich nicht. Für SPD-Fraktionsvize Mat­thias Miersch ist die Merkelsche Ener­giewende zwar ebenfalls sakrosant, aber als Sprecher der Parlamentarischen Linken darf er es sich mit den kleinen Leuten nicht völlig verderben: Alle, „die Windräder in ihrer Nachbarschaft akzeptieren und damit den Ausbau der erneuerbaren Energie ermöglichen“, sollten „belohnt werden“, versprach der 51jährige aus der Windkrafthochburg Niedersachsen in der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Daß die FAZ das SPD-Windbürgergeld als „Verzweiflungstat“ und „so unsinnig wie unoriginell“ ablehnte, erklärt sich aus den Frankfurter Jamaika-Träumen. Umweltökonomen lobten den roten Ablaßhandel: „Ein Ausgleich für Bürger, die direkt von Windanlagen betroffen sind, ist volkswirtschaftlich sinnvoll“, findet etwa Karen Pittel, Chefin des Ifo-Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen. „Damit sich Anlagen in Siedlungsnähe lohnen, müssen sie ihren Kostennachteil durch einen höheren Windertrag kompensieren.“ Daß Wind- und Sonnenkraft Atom- oder Kohlestrom nicht vollständig ersetzen kann, interessiert weder Jung noch Miersch oder Marktwirtschaftlerin Pittel.