© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/20 / 10. Januar 2020

Klimarettung kommt auch ohne neoliberale Klasseninteressen aus
Wer Menschheit sagt, will betrügen
(dg)

Karl Marx und Friedrich Engels kannten keine andere Moral als Klassenmoral. In den propagierten „naturrechtlichen“ Idealen der Aufklärung wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit sahen sie daher nichts als „bürgerliche Ideologie“. Noch in der neuesten Arbeit des orthodox-marxistischen Wirtschaftshistorikers Alain Bihr („Le premier âge du capitalisme“, 2019) werde die Aufklärung daher, wie der finnische Philosoph Vesa Oittinen beklagt (Das Argument, 332-2019), reduktionistisch als „Ideologisierung der Dynamik des reifen Protokapitalismus“ definiert. Eine derartige Leugnung des jenseits von Klasseninteressen liegenden „Allgemeinmenschlichen“ dürfe man sich in Zeiten der ökologischen Krise, die für Oittinen keine „Klassenfrage“ sei, sondern die „gesamte Menschheit“ betreffe, nicht länger leisten. Ermuntert in dieser ahistorischen Haltung sieht er sich durch die Ideenhistorikerin Florence Gauthier, die vor fast dreißig Jahren in der französischen Revolutionschronik ein Traumland entdeckte, wo angeblich die universellen Menschenrechte galten. Diese „demokratische Periode“ bestand jedoch nur von 1792 bis 1794. Sie endete im Schrecken der jakobinischen Terrorherrschaft. Trotzdem beweist sie für Oittinen, daß es „allgemein-menschliche Momente“ auch in Klassengesellschaften gebe. Daran könne eine „objektive“ Moral der Klimarettung anknüpfen, ohne unter Ideologieverdacht zu geraten. 


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