© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/20 / 10. Januar 2020

Knapp daneben
Auch Schallwellen sind abzulehnen
Karl Heinzen

Seit Ende Juni 2019 steht Rettungshubschraubern, die die Universitätsklinik Bonn anfliegen, ein Landeplatz auf dem Dach des Notfallzentrums zur Verfügung. Zuvor hatten sie eine Wiese fernab der Bebauung anzusteuern, und die Patienten mußten in Krankenwagen umgeladen werden. Dadurch ging wertvolle Zeit verloren. Was für Verletzte ein Segen sein mag, ist für die Anwohner jedoch eine Plage. Viele von ihnen haben ihr Häuschen auf dem Bonner Venusberg im Vertrauen auf ein ruhiges Idyll erworben. Nun sind sie Tag für Tag und manchmal sogar in der Nacht dem Lärm knatternder Rotoren ausgesetzt. Gegen diese Zumutung regt sich Widerstand, den der Bürger-Bund Bonn politisch zu nutzen versucht. Seine Große Anfrage an die Stadtverwaltung brachte das ganze Ausmaß des Skandals zutage: In dem halben Jahr seit Inbetriebnahme des neuen Landeplatzes wurden 238 Flugbewegungen registriert, sechs davon in der Nacht. Dies entspricht in etwa den Zahlen, die unter den alten Bedingungen im ganzen Jahr 2016 zu verzeichnen waren. Die Universitätsklinik selbst hatte mit einer Zunahme der Rettungsflüge um 20 Prozent gerechnet. Nun scheinen sie sich sogar zu verdoppeln.

Zum Trost der Bürger könnte die Stadt wenigstens eine Fluglärmpauschale in Rechnung stellen.

Lebensrettung ist sicher eine schöne Sache. Lebensqualität ist aber auch nicht zu vernachlässigen, und diese ist dahin, wenn man jeden Abend mit dem mulmigen Gefühl ins Bett geht, durch Fluglärm aus dem Schlaf gerissen zu werden. Das neurotisiert, da schmeckt der Frühstückskaffee nicht mehr, da sitzt man auch nicht mehr gerne im Garten oder auf dem Balkon. Zumal es nicht allein der Krach ist, der verstört, sondern ebenso die traumatisierende Vorstellung, daß da im Hubschrauber wieder mal jemand um sein Leben ringt. Leider sind der Stadt Bonn die Hände gebunden. Behördliche Anordnungen, Unfälle zu unterlassen, fruchten selten, und irgendwo muß halt gerettet werden. Zum Trost der betroffenen Bürger könnte sie aber wenigstens den eingeflogenen Notfallpatienten eine Fluglärmpauschale in Rechnung stellen. Bei allem Haß auf CO2 darf schließlich nicht untergehen, daß auch Schallwellen abzulehnen sind.