© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/20 / 17. Januar 2020

Ländersache: Thüringen
Ohne jene regiert’s sich bene
Jörg Kürschner

Danke lieber Joachim Gauck für die Einladung!“ twitterte Thüringens Linken-Ministerpräsident Bodo Ramelow nach seinem sonntäglichen Abendessen mit CDU-Partei- und Fraktionschef Mike Mohring. Der Altbundespräsident war extra nach Erfurt gekommen, um die beiden Gegenspieler an einen (Eß-)Tisch zu bringen. Immerhin zeigen sich ja auch Ramelows Amtsvorgänger Dieter Althaus und Bernhard Vogel (beide CDU) inzwischen flexibel, was das Verhältnis zu den SED-Nachfolgern betrifft. Vogel, eine Autorität in der Bundespartei, befürwortete eine punktuelle Unterstützung der CDU für Projekte der sich abzeichnenden rot-rot-grünen Minderheitsregierung. Althaus hatte gar, offenbar in Absprache mit Mohring, eine gemeinsame „Projektregierung“ mit der Linken ins Gespräch gebracht, bestehend aus Vertretern beider Seiten. Den Unvereinbarkeitsbeschluß der Bundespartei gegenüber der Linken nannte er „nicht mehr zeitgemäß“. 

An eben diese Beschlußlage hatte man CDU-Landeschef Mohring im Konrad-Adenauer-Haus noch erinnert, als er nach der Wahl seine „staatspolitische Verantwortung“ entdeckt und in Richtung Ramelow geschielt hatte: Jede Zusammenarbeit mit der AfD und der Linken sei ausgeschlossen. Mohring geriet in die Defensive, auch in seiner Fraktion und Landespartei. Dort liebäugelten manche Kommunalpolitiker mit Gesprächen mit der AfD, die die CDU bei der Wahl auf Platz drei verwiesen hatte. Nach einigen Sondierungen verzichtete Mohring auf eine Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten. 

Derweil blieb Ramelow in seiner Staatskanzlei nicht untätig. Er sorgte für zügige Koalitionsverhandlungen mit den vertrauten Partnern und kündigte an, sich Anfang Februar im Landtag zur Wahl als Ministerpräsident zu stellen. Daß Rot-Rot-Grün vier Stimmen zur absoluten Mehrheit fehlen, muß den Politikprofi nicht scheuen. Im dritten Wahlgang werden nur die Ja-Stimmen gewertet.

Der Februar rückte näher, die Zeit drängte und Gauck arrangierte die Begegnung Ramelow/Mohring. Der endgültige Durchbruch gelang Ramelow tags darauf bei einem Treffen aller Fraktionschefs – außer dem der AfD. Mohring sicherte eine „unvoreingenommene Prüfung“ bei wichtigen Themen zu.Trotz schwieriger Mehrheitsverhältnisse solle etwas Gutes für Thüringen erreicht werden, betonte er, der ein „Thüringer Modell“ entwickeln will. Zusammen mit FDP-Chef Thomas Kemmerich will er der Minderheitsregierung „Ideenlisten“ mit Projekten vorlegen. Ramelow sprach von einer „projektorientierten Regierungsarbeit“ auf der Basis der Minderheitsregierung. Nur die Grünen reagierten enttäuscht, da CDU und FDP institutionalisierte Treffen mit den Koalitionsfraktionen ablehnten. Von einer „Projektregierung“ nur aus Linken und CDU ohne SPD und Grüne war keine Rede mehr. Neue Töne schlug unterdessen auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer an. „Wenn es sinnvolle Projekte gibt, die gut für Thüringen sind, dann ist es vertretbar darüber zu reden, ob es dafür parlamentarische Mehrheiten gibt.“

Nach Ansicht von AfD-Parlamentsgeschäftsführer Stefan Möller verrät die CDU ihre Wähler und macht sich endgültig überflüssig. Ramelow gehe als Sieger aus dem Ringen um Mehrheiten hervor, meinte Möller im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT.