© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/20 / 17. Januar 2020

„Gottverdammter Zeitgeist“
Fraktionsübergreifende Initiative: Abgeordnete von Union und FDP wollen sich dem Trend zu Schwarz-Grün entgegenstellen
Jörg Kürschner

Bundestagsabgeordnete der Unionsparteien und der FDP haben einen Liberal-Konservativen Kreis (LKK) gegründet, um ein programmatisches Gegengewicht zu schwarz-grünen Koalitionsüberlegungen nach der nächsten Bundestagswahl zu bilden.  

In ihrem „Zehn-Punkte-Plan für Deutschland“ üben die Parlamentarier deutliche Kritik an der Großen Koalition, insbesondere in der Wirtschafts- und Energiepolitik. „Wir wenden uns gegen eine Deindustrialisierung Deutschlands“, heißt es  darin. Deutschland falle international immer weiter zurück, das Ende des Wirtschaftsaufschwungs führe bereits zu Entlassungen in Schlüsselindustrien. „Auf diesen Einbruch ist Deutschland nicht vorbereitet“, so die Analyse. Der gleichzeitige Ausstieg aus der Kohle und der Kernkraft sei ein Fehler und müsse zugunsten einer staatlichen Förderung auch der Kernenergie- und vor allem Kernfusionsforschung korrigiert werden, betonte der baden-württembergische CDU-Abgeordnete Axel Fischer, einer der Sprecher des Kreises.  

Die von der Bundesregierung beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen gehörten überprüft. „Erfolgreichen Klimaschutz kann es nur mit einer starken Wirtschaft, nicht gegen sie geben“, heißt es in dem Papier. Fischer ist sich sicher, daß es nach der Bundestagswahl voraussichtlich im Herbst 2021, also nach dem Ende der Kanzlerschaft von Angela Merkel (CDU), zu einer Neuausrichtung der Politik kommen wird. In diesem Zusammenhang fordert die Abgeordnetengruppe Steuersenkungen für Arbeitnehmer und Unternehmen. Dem LKK gehe es um das Machbare, nicht das Wünschbare, umschrieb Fischer die Motivation der Abgeordnetengruppe. Sie bezieht auch Stellung zur inneren Sicherheit. Straffällige ohne Aufenthaltsrecht in der EU müßten zum Schutz der Bürger abgeschoben, die rechtlichen Hürden dafür „deutlich abgesenkt werden“. Deutschland brauche zudem wieder sichere Grenzen. Der frühere Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) betrachtet den LKK als „geistige Bewegung“, die er nicht als Opposition gegenüber der Fraktionsführung verstehe. Eine von Union und Grünen gestellte Bundesregierung wäre für ihn ein „maximaler GAU“, ein „halber politischer Selbstmord“, der den Markenkern der Unionsparteien berühre. Ramsauer, der dem Bundestag seit 1990 angehört, beklagte einen „gottverdammten Zeitgeist“, der konservative und liberale Positionen als rechts stigmatisiere. Doch lasse er sich nicht den Mund verbieten. Ramsauers Parteifreundin Silke Launert berichtete von Gesprächen mit konservativen Menschen in ihrem fränkischen Wahlkreis, die sich von den traditionellen Medien nicht mehr vertreten fühlten. Hier lauere ein Gefahr für die Demokratie.

Den Dresdner FDP-Abgeordneten Torsten Herbst erinnert die „Bevormundungspolitik“ der Grünen an seine Jahre in der DDR. Er sieht zunehmende „Meinungsdiktate“, zuletzt etwa in dem Streit über das Video, in dem Omas als „Umweltsäue“ diffamiert wurden. Daß WDR-Intendanten Tom Buhrow nach seiner Entschuldigung für den „geschmacklosen Beitrag“ als Rechter verortet werde, sei der Versuch jemanden mundtot zu machen, erklärte er auf Fragen der JUNGEN FREIHEIT. Zu einer offenen Debattenkultur gehöre, daß Meinungen auf dem Boden des Grundgesetzes nicht geächtet würden. 

Auf viel positive Resonanz gestoßen

Doch große Teile der Medien erfüllten ihre Funktion als Korrektiv der Politik nicht mehr. Gefragt seien vielmehr „mutige Medien und nicht unkritische oder willige Echokammern der Regierenden“. Herbst, Bundesvorstandsmitglied seiner Partei, sagte, Partei- und Fraktionschef Christian Lindner  finde die LKK-Gründung „gut“. Mehr Gespräche zwischen den Fraktionen seien erwünscht, da sich das Parteiensystem immer stärker fragmentiere.

Die Gründung des LKK sei in ihren Fraktionen und auch im Europäischen Parlament auf eine positive Resonanz gestoßen, berichteten die Parlamentarier übereinstimmend. Ihm gehören derzeit rund 15 Mitglieder an, darunter die CDU-Parlamentarier Arnold Vaatz, Olav Gutting, Klaus-Peter Willsch sowie Thüringens FDP-Landes- und Fraktionschef Thomas Kemmerich. Der neugegründete Kreis will künftig auf Veranstaltungen etwa mit Wissenschaftlern für liberale und konservative Positionen werben.