© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/20 / 17. Januar 2020

Grüße aus Bern
Die große Ernüchterung
Frank Liebermann

Hochzeiten sind in Bern eine besonders große Sache. Im krassen Gegensatz zum sonst eher bescheidenen Auftreten, das im Alltag an den Tag gelegt wird, neigt der bodenständige Berner zu einer eher protzigen Hochzeit. Teure Kleidung, hubraumstarke Edellimousinen, Dutzende Blumenmädchen und das feinste Catering müssen an diesem Festtag her. Das kann ich deshalb so genau sagen, da ich in nächster Nähe zum Standesamt wohne. Dieses ist idyllisch im Stadtteil Bümpliz gelegen, der sonst eher den Ruf als Ghetto der De-facto-Hauptstadt genießt. Das Amt ist in einem alten Schloß untergebracht, umgeben von einem wunderschönen Rosengarten und einem gepflegten Park mit Teich. Das führt unter anderem dazu, daß Menschenmassen von außerhalb nach Bern drängen, um dort im Alten Schloß zu heiraten.

Schon 1984 bemängelte das höchste Gericht der Schweiz, daß die Heiratsstrafe ungerecht sei.

Aber wie so oft kommt nach der Hochzeit die große Ernüchterung. Dafür haben die Schweizer das wunderschöne Wort „Heiratsstrafe“ erfunden. Naja, mag der eine oder andere denken, eine Eheschließung kann durchaus eine Strafe sein. Aber das ist hier nicht gemeint. Dies bezeichnet den Zustand, daß Ehepaare steuerlich gemeinsam veranlagt werden. Besonders leiden Doppelverdiener- und Rentnerpaare: Nachdem beide Einkommen in einen Topf geworfen wurden, schlägt die Progression heftig zu. Zusammen zahlen beide dann mehr, als wenn sie mit zwei separaten Steuererklärungen in Sünde weitergelebt hätten. 704.000 Ehepaare sind laut Finanzministerium betroffen – bei 8,6 Millionen Einwohnern.

Schon 1984 bemängelte das höchste Gericht der Schweiz, daß dies ungerecht sei und der Gesetzgeber zeitnah handeln müsse. Doch jeder Kanton und jede Gemeinde kann das selbst regeln. Und etliche haben das Problem beseitigt. Bei den Bundessteuern gibt es einen kleinen „Ehesteuerbonus“. Die Christdemokraten (CVP) wollten alle Ehenachteile beseitigen, aber ihre Volksinitiative „Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe“ scheiterte 2016 knapp mit 49,2 Prozent: Die Großstädter in Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich waren massiv dagegen. Der Nationalrat lehnte eine erneute CVP-Initiative vor Weihnachten mit rot-gelb-grüner Mehrheit erneut ab. Und die CVP, die bereits 120.000 Unterschriften für ein neues Referendum gesammelt hatte, knickte nun ein. Heiraten wird vorerst also weiter vom eidgenössischen Fiskus finanziell bestraft.