© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/20 / 17. Januar 2020

Flammenhölle „Down Under“
Wer ist schuld an den massiven Buschbränden in Australien?
Jörg Sobolewski

In Australien sind bislang über zehn Millionen Hektar den Flammen zum Opfer gefallen – entspricht etwa der Fläche von Island oder Ungarn. Die Schäden an Flora und Fauna sind unabschätzbar, die gesundheitlichen Folgen für Tausende Australier vermutlich gravierend. Seit Oktober wüten die Flammen auf dem fünfen Kontinent, seit Dezember zeichnete sich eine Feuerkatastrophe ungeahnten Ausmaßes ab.

Selbst den nüchternen Berichterstattern gehen die Superlative aus. Beim Blick auf den feinen Ascheregen vor dem Opernhaus in Sydney verschlägt es vielen die Sprache. Die 5,2-Millionen-Metropole und Hauptstadt des Bundesstaates New South Wales liegt seit über einem Monat unter einer Rauchwolke, je nach Windverhältnissen wird es tagsüber kaum richtig hell – mitten im australischen Sommer. Ganze Kleinstädte fliehen an den Strand, und die Marine des Landes steht für größere Evakuierungen bereit. Australien ist im permanenten Ausnahmezustand.

Große Buschfeuer sind die Australier gewöhnt – aber in diesem Ausmaß von der Natur die Machtfrage gestellt zu bekommen, läßt auch hartgesottene „Aussies“ nach den Ursachen fragen. Ana und Ronan suchen wie viele andere nach Antworten. Die Teenager nehmen gemeinsam mit anderen Jugendlichen an einer Demonstration gegen die Klimapolitik der liberalkonservativen australischen Regierung teil. Anders als auf den „Fridays for Future“-Events in Europa ist die Stimmung hier ernst. Dutzende Tote, Verletzte und riesige Aschewolken bis nach Neuseeland lassen keinen Platz für ausgelassenes Happening. „Wir haben Fragen an die Regierung, wir wollen wissen, warum die Regierung weiterhin so massiv auf die Kohleverstromung setzt?“

Sie sind wütend auf Premierminister Scott Morrison, der bis vor wenigen Tagen jede Debatte um einen Klimawandel vermieden hat. „Man kann doch nicht weiter seinen enormen Beitrag zum Klimawandel betreiben und dann auch noch den Feuerwehren die Gelder kürzen!“ Die beiden Geschwister wirken ehrlich aufgebracht. Wie von ihnen bestellt, dreht der Wind und weht Brandgeruch ins Stadtzentrum. Klima-skeptiker sind keine erschienen, die Begleitumstände einer Diskussion wären heute für sie auch denkbar schlecht.

Tatsächlich hat die von Gladys Berejiklian geführte Regierung von New South Wales, die eine Kopie der Koalition im Bund ist, das Budget der Berufs- und der Freiwilligen Feuerwehr um zweistellige Millionenbeträge gekürzt. Es läuft nicht gut für Morrison und seine Koalition aus Liberalen und Nationalpartei. Während sich die einen an ihrem Premierminister abarbeiten, fragen sich andere, warum diese Feuersaison so viel schlimmer als die von 2009 ist, dem vorangegangenen großen Buschfeuer. Die Antwort liegt, so sind sich die Experten einig, größtenteils in der langanhaltenden Dürre, die seit 2017 den mit acht Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Bundesstaat fest im Griff hat.

In einigen Teilen von New South Wales hat es seit Jahren nicht mehr geregnet. Die Staudämme leeren sich, und in den Wäldern stapelt sich das Unterholz. Dieses wird traditionell in der kühleren Jahreszeit kontrolliert abgebrannt. Durch die anhaltende Trockenheit war das aber nicht ohne weiteres möglich – ein Teufelskreis. Durch die zunehmende Menge an Unterholz wurden die Hürden für einen kontrollierten Brand immer höher, dieser immer unwahrscheinlicher und die Waldbrandgefahr immer dramatischer.

Intensität und Häufigkeit der Brände hat zugenommen

Hinzu kommt, daß sich das Land zwischen der Rekorddürre von 2003 bis 2012 und der aktuellen kaum erholen konnte. Vor dem ersten Brand der Saison 2018, die im Oktober ungewöhnlich früh begonnen hat, glichen viele Nationalparks Scheiterhaufen. Das ölreiche Eukalyptusholz fängt ohnehin schnell Feuer. Die Umweltbedingungen der letzten Jahre – sie sind die Ausgangsbasis für diesen perfekten „Feuersturm“.

Ob der Klimawandel daran schuld trägt? Wenn man Stephen Pyne glauben darf, dann läßt sich diese Frage zumindest teilweise mit „Ja“ beantworten. Der frühere Feuerwehrmann und emeritierte Professor von der Arizona State University gilt als Experte für Waldbrände in Kalifornien und Australien, er berät verschiedene Institutionen des Landes im Umgang mit der Situation. Aus seiner Sicht hat die Intensität der Brände und vor allem ihre Häufigkeit zugenommen.

Man habe nun immer wieder Feuerausbrüche von gewaltiger Intensität durch die anhaltende Trockenheit. Das diesjährige Auftreten des Wetterphänomens „El Niño“ tue sein übriges, aber wenn sich der Trend hin zu heißeren und trockeneren Wetterlagen fortsetze, dann wäre auch mit „mehr Flugzeugen und Fahrzeugen für die Feuerwehr“ nichts geholfen. Stattdessen empfiehlt Pyne, sich die Bau- und Stadtplanung anzuschauen.

Tatsächlich kritisieren australische Feuerwehrleute schon länger die Bauweise ihrer Landsleute. Seth Johan, ein Feuerwehrmann aus Katoomba, dem Touristenzentrum der Blue Mountains in New South Wales, drückt es so aus: „Seit Jahren bauen die Leute ihre Häuser immer näher und direkter in den Wald hinein. Das sieht dann zwar hübsch aus, aber dann bist du halt im schlimmsten Fall mittendrin.“ Ein ordentlicher Bebauungsplan müsse her und null Toleranz für die Unterschreitung von Mindestabständen. Auch die verwendeten Bausubstanzen werden kritisiert. In einem Land, das fast das ganze Jahr über auf Kälteisolierung verzichten kann und in dem Spanplatten als stabiles Baumaterial gelten, dauert es oft nur wenige Minuten, bis ein Haus Feuer fängt.

Je näher an der Feuerfront die Menschen sind, um so nüchterner scheint auch ihre Einschätzung der Lage zu sein. Den Klimawandel rundheraus leugnen möchte hier mittlerweile niemand mehr, seit voriger Woche nicht einmal Premier Scott Morrison. Aber in Hysterie verfällt man auch nicht. Das ist in den Weiten des Internet anders, dort kursieren Karten, die große Teile des Kontinents feuerrot einfärben. Mit der Realität hat das nicht viel zu tun. Wer sich objektiv das Ausmaß der Zerstörung anschauen will, ist auf den Seiten der entsprechenden Bundesstaaten besser aufgehoben. 

Klimabericht des Bureau of Meteorology:

 bom.gov.au

 www.stephenpyne.com