© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/20 / 24. Januar 2020

Libyen-Konferenz in Berlin
Ein Lob wäre verfrüht
Jürgen Liminski

In Europa gilt der Primat des Rechts. Aber schon Charles de Gaulle wußte: „Das Schwert ist die Achse der Welt.“ In einem Land wie Libyen, wo archaische Strukturen und Denkmuster vorherrschen, folgt das Recht der Stärke. Diese Gleichung umzukehren ist das Ziel des Berliner Prozesses. Das gleicht dem Zusammenprall von Zivilisationen.

Allein die Frage, wer den Milizen die Schwerter aus der Hand schlagen und ein Waffenembargo durchsetzen soll, zeigt, was in der Welt zählt. Hinzu kommt das Problem der Religion in Gestalt der Muslimbrüder. In Berlin saßen auch die Staatschefs der Nachbarn Ägypten und Algerien in der Runde – Generäle, die gegen die fanatischen Muslimbrüder kämpfen und sich ihren Teil dachten. Das allseitige Lob für Merkel, Maas und die EU ist verfrüht, der Krieg wird nicht in Berlin, sondern auf dem Gefechtsfeld entschieden. Es geht in der Region nicht ohne Hegemon.

Um diesen geopolitischen Posten bewerben sich nun viele. Erdogan etwa, größenwahnsinniger Schutzpatron der Muslimbrüder, hat schlechte Karten. Seine Schützlinge sind im Würgegriff von General Haftar. Putin dagegen darf als diskreter Gewinner der Berliner Runde gelten. Er ist seinem Ziel, wieder unter den Großen der Welt mitzuspielen – demnächst vielleicht auch wieder am Tisch der G7 – erneut einen kleinen Schritt näher gekommen, egal wie es in Libyen weitergeht.