© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/20 / 24. Januar 2020

Flucht aus der Heimat?
Auswanderung: Was treibt Deutsche zur Migration?
Mathias Pellack

Für Zuwanderung gibt es seit 2015 ein wachsendes Problembewußtsein. Wie aber steht es um die Abwanderung von Deutschen aus Deutschland?

Die JUNGE FREIHEIT hat Auswanderer befragt: Warum sind sie weggegangen? Und wohin sind sie gezogen? Hier finden Sie die Antworten derer, die das politische Klima nicht mehr ertragen wollten oder einfach ihr Glück oder mehr Geld im Ausland suchten. 

Eingebettet werden die Einzelstimmen von Zahlen und Grafiken, die das Phänomen der Auswanderung begreifbar machen. Grundlagen sind der jüngst erschienene Migrationsbericht und die GERPS-Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung.

Diese Daten zeigen auch: Zwei Ländern Europas gelingt es, sich gegen den allgemeinen Trend zur Auswanderung der angestammten Bevölkerung zu stemmen.





„In dem Bemühen in der Nachwendezeit selbständig zu arbeiten, traf ich 1992 die Geschäftsführerin einer ungarischen Firma. Wir leben bis heute zusammen. Ich habe hier ein Haus erworben und bin dem Mietenwahnsinn in Deutschland entkommen. So komme ich mit meiner Rente gut aus. Nach September 2015 nahm ich die ungarische Staatsbürgerschaft an. Jetzt bin ich stolz, in einem Land zu leben, dessen Regierung die ‘Balkanroute‘ geschlossen hat und dessen Bürger – meine Nachbarn und Freunde – mich so akzeptieren, wie ich bin, auch wenn ich

 mich etwas angepaßt habe.“

Dieter P. Merz (75), Maschinenbauer, lebt in Ungarn





„Wir lebten in einer westdeutschen Großstadt und konnten die Veränderungen hautnah miterleben: Einwanderung und Zersplitterung der Gesellschaft, repressives Meinungsklima, fehlende politische Streitkultur und die Abwendung von den christlich-jüdischen Werten. Aber lassen Sie mich von Silvester in Ungarn berichten: Es wurde getanzt, gelacht und jeder hatte Spaß. Schlag Mitternacht – zum Jahreswechsel – standen alle Ungarn auf, hielten ihre Hand ans Herz und sangen die wunderschöne Nationalhymne. In Deutschland heute undenkbar. “

Jürgen Knab (65), Rentner, lebt mit seiner Frau in Ungarn





 „Ich lebe zwar schon seit 30 Jahren in Rußland, aber nicht, weil ich auswandern wollte, sondern weil ich als Journalist einen Logenplatz in der Weltgeschichte suchte. 

Hat geklappt.“

Gisbert Mrozek (59), Journalist, lebt in Rußland





„Meinen Wohnsitz habe ich aus familiären Gründen verlegt, fühle mich aber nicht wie ’im Ausland lebend‘. Meine sudetendeutschen Urgroßeltern wurden als Österreicher geboren, wurden dann zu Tschechen und starben als Deutsche. Allerdings wohnten sie  immer am selben Ort!“

Bernhard Schnürch (56), Maschinenbauer, lebt in Österreich





„Hier die Weite des Himmels über der ungarischen Provinz statt der Enge der Metropole mitsamt ihren aufgeregten Emanationen an bunter Vielfalt, Anstand und Haltung. Der Wunsch, auch diesmal auf der richtigen Seite der Demarkationslinie zu stehen. Dort ein zunehmend totalitärer Westen, in dem auf Schritt und Tritt jemand, der von meinem Steuergeld schmarotzt, zur Stelle ist, um mir zu erklären, wie man mit der nötigen Sensibilität für den CO2-Fußabdruck, mit Toleranz und Respekt sein gendergerechtes Leben zu gestalten hat.“

Josef Brodacz (64), Verleger, lebt in Ungarn





„Als ich 2005 im ICE von Frankfurt am Main nach Berlin zur Kenntnis nehmen mußte, daß im Zug ein Großteil der WCs defekt war, nahm ich dies zum Anlaß, bei meinem Arbeitgeber die Verlegung meines Arbeitsplatzes nach Dublin in Irland zu beantragen. Später zog ich in die Schweiz. Wenn ich heute nach Deutschland fahre, dann ist das für mich als geborenen Dresdner ein Gefühl wie vor 1989 – nur mit mehr Produkten und mehr Obdachlosen.“

Jörg Lindemann (52), Bankkaufmann, lebt in der Schweiz

(Grafiken siehe PDF)