© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/20 / 24. Januar 2020

„Von den Fürsorgesystemen unabhängig werden“
Grundrente: Laut einem Entwurf des Bundesarbeitsministeriums reichen 33 Versicherungsjahre / Obligatorische Einkommens-, aber keine Vermögensprüfung
Jörg Fischer

Wer im Knast war, jahrelang um die Welt gereist ist, nie oder wenig gearbeitet hat, als Selbständiger pleite ging oder sich mit Hartz IV und Minijobs über Wasser gehalten hat, muß sich spätestens ab 67 wenig Sorgen machen: Dann besteht beim Sozialamt Anspruch auf Grundsicherung im Alter – wenn die Person „ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland“ hat und „innerhalb der letzten zehn Jahre vor Antragstellung“ nicht „vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig“ sein ganzes Geld verpraßt hat.

Es gibt 432 Euro sowie die Übernahme einer „angemessenen“ Warmmiete und eine Krankenversicherung. Je nach Berechnungsmethode kostet dies die Steuerzahler über tausend Euro pro Monat. Wer Kinder großgezogen, jahrzehntelang als Geringverdiener gearbeitet und sich mehr als 2.600 Euro erspart hat oder einen Gebrauchtwagen sein eigen nennt, dessen Rente aber nicht zum Leben reicht, der kann sich den Grundsicherungsantrag zunächst sparen: Erst muß das überschüssige Geld oder sonstige Anlagen aufgebraucht sowie Auto und ein größeres Einfamilienhaus oder die Eigentumswohnung verkauft werden.

Sprich: Das „Schonvermögen“ ist geringer als bei jedem Hartz-IV-Empfänger. Ein vom SPD-geführten Bundesarbeitsministerium ausgearbeiteter Gesetzesvorschlag soll dieses wachsende Problem etwas entschärfen: „Herzstück ist die Grundrente für langjährig Versicherte mit unterdurchschnittlichem Einkommen. Sie ist als Rentenzuschlag konzipiert und soll von einer nachzuweisenden Bedürftigkeit wie in den Fürsorgesystemen unabhängig sein“, heißt es in dem aktuellen Referentenentwurf.

Wer mindestens 33 Jahre Pflichtbeiträge „aufgrund einer Beschäftigung, Kindererziehung oder Pflegetätigkeit“ an die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) gezahlt hat, soll künftig etwas besser gestellt werden als ein Asylbewerberleistungs-, Hartz-IV- oder Grundsicherungsbezieher. Nur noch anhand einer Einkommensprüfung soll die „Feststellung des Grundrentenbedarfs“ erfolgen. Dafür gelte ein Einkommensfreibetrag in Höhe von monatlich 1.250 Euro für Alleinstehende und 1.950 Euro für Eheleute. Zugrunde gelegt werden soll das zu versteuernde Einkommen „unter Hinzurechnung des steuerfreien Teils der Rente und der Kapitalerträge“.

Falls das Einkommen den Freibetrag übersteigt, „wird die Grundrente um 40 Prozent des den Freibetrag übersteigenden Einkommens gemindert“. Die Überprüfung erfolge mittels eines maschinellen Datenabgleichs zwischen der GRV und den Länderfinanzbehörden. Eine Bedarfsprüfung anhand des Vermögens, wie es die Union zu Beginn der Debatte lautstark gefordert hatte und von Arbeitgeberverbänden weiter verlangt wird, sei nicht mehr vorgesehen.

Finanziert werde die Grundrente über den derzeit 362 Milliarden Euro umfassenden Bundesetat: 1,39 Milliarden Euro soll die Maßnahme 2021 kosten, 2025 könnten es 1,73 Milliarden Euro sein. Nach Schätzungen des Arbeitsministeriums könnten anfangs 1,4 Millionen Kleinrentner davon profitieren und im Schnitt einen Rentenzuschlag von etwa 80 Euro im Monat erhalten. Für den Volkswirt Michael Theurer, der noch während seines Studiums dauerhaft in die Politik einstieg, ist das zuviel des Guten: „Das Plündern der Sozialkassen und des Bundeshaushaltes für parteipolitische Prestigeprojekte“ müsse endlich aufhören, so der FDP-Fraktionsvize im Bundestag.

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