© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/20 / 24. Januar 2020

Hoffen auf noch mehr Sonnenschein
Photovoltaik: Der Windkraftausbau in Deutschland stockt / In Zukunft hoffen die Solaranlagenhersteller auf höhere Subventionen
Björn Beiersdorf

Der subventionsbetriebene Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland mußte in den vergangenen Monaten einige Rückschläge einstecken. Tier- und Landschaftsschutzorganisationen sowie zahlreiche lokale Bürgerinitiativen schafften es mit ihren Beschwerden und Sorgen über die negativen Auswirkungen von Windkraftanlagen für Mensch und Natur in die überregionale Presse. Die Diskussion über Mindestabstände zwischen den Anlagen wurde ebenfalls präsenter und schwelt innerhalb der Regierung. Die ersten Interessenverbände der Windenergie schlugen Alarm, die Energiewende stünde auf dem Spiel.

Ein Abgesang auf den flächendeckenden Ausbau erneuerbarer Energien erscheint allerdings anhand parallel stattfindender Entwicklungen verfrüht: So verkündet der Branchenverband Solarpower Europe, die europäische Solarbranche verzeichne 2019 mit über 100 Prozent das höchste Wachstum seit 2010 und wachse somit schneller als jede andere Erzeugungstechnologie. In 26 EU-Mitgliedsstaaten steige die installierte Leistung, allen voran in Spanien, Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Polen.

Eine Billion Euro kommen mit dem „Green Deal“

Die Vorstandsvorsitzende des Branchenverbandes, Walburga Hemetsberger, gibt sich selbstbewußt: „Wir sind in eine neue Ära des Photovoltaik-Wachstums getreten.“ Michael Schmela, Berater im Verband und zuständig für Marktangelegenheiten, prognostiziert ein anhaltendes Wachstum und rechnet mit einem jährlichen Zubau von bis zu 26,8 Gigawatt in Europa.

Die Politikberaterin von Solarpower Europe, Aurélie Beauvais, sieht mehrere Gründe für die Entwicklung, zum einen seien Photovoltaikanlagen die wettbewerbsfähigsten unter den erneuerbaren Energien, zum anderen stünden die Politiker in Brüssel unter Druck, ihre Ziele in Sachen erneuerbare Energien bis 2020 einzuhalten. Bis 2030 würden sich die Mitgliedsstaaten außerdem an der Vorgabe orientieren, einen Anteil von 32 Prozent erneuerbarer Energien in Europa zu erreichen.

Im Angesicht solch günstiger Prognosen hat der Verband eine Konferenz in Brüssel im März 2020 geplant. Dieser „Solar Power Summit“ würde laut Webseite das weltweit wichtigste Ereignis der Solarentwicklung darstellen und über 300 Branchenanalysten, führende politische Entscheidungsträger und die wichtigsten Interessengruppen der Branche zusammenführen. Unterstützt wird der Gipfel von einigen europäischen Verbänden der erneuerbaren Energie, als auch vom deutschen Chemiehersteller Wacker und dem chinesischen Technologieriesen Huawei.

Ein klares Ziel des Gipfels ist die Einflußnahme auf politische Entscheidungen innerhalb der EU hinsichtlich eines zügigen Ausbaus von Solarenergie, Teilnehmer des Gipfels hätten die Möglichkeit, „die Zukunft der europäischen Energielandschaft mitzugestalten“ und „näher an die wichtigsten Entscheidungsträger in Europa zu kommen“. Der Umstand der stärker werdenden Kritik an der Windenergie verschafft diesem Anliegen in jeder Hinsicht Vorteile im Wettbewerb um politische Zuwendungen aus Brüssel: Neben dem Umwelt- und Energieminister Kroatiens, Tomislav Coric, wird auch Frans Timmermans (Sozialdemokraten), Vizepräsident des EU Parlaments und Kommissar für den jüngst beschlossenen „Green Deal“ in der Kommission von der Leyen, auf dem Gipfel sprechen. Die EU will bis 2030 etwa eine Billion Euro für den „Green Deal“ investieren, also in den massiven Ausbau erneuerbarer Energien. Der „Solar Power Summit“ ist auch vor diesem Hintergrund zu betrachten: Der Solarstromgipfel stünde „2020 an einem Wendepunkt der Europäischen Union“. „Zu Beginn eines neuen politischen Zyklus hat die Präsidentin der Europäischen Union, Ursula von der Leyen, angekündigt, daß sie in den ersten 100 Tagen im Amt einen europäischen Green Deal vorschlagen wird.“ Der Gipfel möchte einen „Überblick“ über „Solar’s Beitrag zum Green Deal für europäische Bürger, Regionen und Industrien“ geben. 

Huawei lobbyiert fleißig: Gewinne warten

Auf der Konferenz soll ebenfalls Bezug auf das in diesem Zusammenhang geplante Klimagesetz der EU genommen werden, nach dem die EU-Staaten bis 2050 „klimaneutral“ werden sollen, das heißt, in der Bilanz soll kein Kohlenstoffdioxid mehr der Atmosphäre hinzugefügt werden. Zu dem Programmpunkt „Ein klimaneutrales Europa bis 2050 voranbringen: Beschleuniger und fehlende Verbindungen“ sind Christine Lagarde, Präsidentin der EZB, als auch der polnische Energieminister geladen. Auf der Konferenz werden allerdings auch klare wirtschaftliche Interessen vertreten: Christian Westermeier, vor seiner Präsidentschaft bei Solarpower Europe war er 23 Jahre bei Wacker tätig, wird im März in Brüssel sprechen. Ein Bedeutungszuwachs der Solarenergie bedeutet nämlich auch einen potentiellen Gewinnzuwachs für das Unternehmen Wacker, welches mit Polysilicon einen der wichtigsten Rohstoffe für Solarpaneele herstellt.

Das chinesische Unternehmen Huawei, vor allem durch die 5G-Technik und seine Mobiltelefone bekannt, wiederum würde von einem Ausbau der Solarenergie in Europa zusätzlich profitieren, da das Unternehmen im Jahr 2019 verstärkt in die Solarbranche eingestiegen ist: Der neugebaute chinesische Flughafen Beijing Daxing wurde durch Huawei mit Solarpaneelen ausgestattet. Das Unternehmen tätigte 2019 außerdem erfolgreiche Geschäfte mit Solarwechselrichtern in Spanien und Griechenland, mit Spanien wurde eine Partnerschaft auf diesem Gebiet unterzeichnet.

Mit dem Green Deal erhalten alle an dem Gipfel Beteiligten einen politischen und/oder ökonomischen Gewinn, für Solarpower Europe stellt er einen „Meilenstein“ dar, womit Europa „seine Rolle als globaler Klimaführer“ aufrechterhalte. Die Solarenergie sei damit „auf dem besten Weg, ein sauberes und erneuerbares Europa zu versorgen.“

Der Ausbau der Solarenergie in dem von Solarpower Europe erwünschten Ausmaß erfährt allerdings auch Widerspruch: Zum einen verursachen die Anlagen hohe Kosten nicht nur in der Anschaffung, da in Deutschland bereits eine Ökostrom-Förderung von sechs Cent pro Kilowattstunde (kWh) existiert, welche zum Großteil an Solaranlagenbetreiber fließt. Der Nachbar ohne Solarpaneel zahlt für jeden anderen Nachbarn mit Paneelen etwas mehr für den Strom. Ursprünglich versprach die Solarbranche, daß die Förderung zwei Cent pro kWh nicht übersteige.

Zum anderen birgt der Solarstrom auch Gefahren, so halten Solarpaneele auf einem Dach das Löschwasser der Feuerwehr im Falle eines Brands recht effektiv ab. Sie stellen durch eine Spannung von bis zu 1.000 Volt außerdem eine tödliche Gefahr für Feuerwehr-Einsatzkräfte dar, wenn sie durch das eingesetzte Wasser einen Stromkreis schließen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Effizienz der Anlagen: Eine baugleiche Anlage in Deutschland erzeugt nur ungefähr halb soviel Strom, wie die selbe Anlage in Süditalien oder Spanien brächte. Sie verliert im Durchschnitt nach etwa 25 Jahren ein fünftel Prozent ihrer Leistung und muß daher langfristig ausgewechselt und fachgerecht entsorgt werden.

„Unwirtschaftlich, keine Speicher, netzbelastend“

Die Flächenversiegelung durch weitflächige Solaranlagen ist ebenfalls ein Kritikpunkt beim Ausbau der solaren Energiegewinnung. Der deutsche Bauernverband engagiert sich bereits dagegen, und einige europäische Länder haben den Ausbau von Großanlagen untersagt. Das Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der Technischen Universität Wien sieht außerdem Schwierigkeiten in bezug auf die Speichermöglichkeiten des „volatilen“ Solarstroms. So würde die Speicherleistung in Europa bis 2020 zwar verdoppelt, aber im Verhältnis zu dem Ausbau der erneuerbaren Energien halbiere sich ihre Wirksamkeit.

Herkömmliche thermische Kraftwerke müßten dadurch vermehrt Ausgleichsenergie bereitstellen, womit ein häufigeres An- und Herunterfahren der Kraftwerke nötig würde; zusätzlicher Verschleiß stünde an. Schließlich ist das Stromnetz in den meisten Ländern nicht in der Lage, die starken Ener-gieschwankungen auszugleichen. So würden Niederspannungsnetze durch Solaranlagen mittags sehr stark und nachts gar nicht belastet werden. Ein flächendeckender Ausbau der Anlagen im Sinne von Solarpower Europa dürfte sich also ökonomisch sowie hinsichtlich der Energiesicherheit waghalsig gestalten. Die Solarbranche scheint im kommenden Jahr allerdings zuversichtlich, die „90 Prozent der derzeit ungenutzten EU-Dächer“ mit Anlagen auszustatten und dabei selbst das eine oder andere Geschäft abschließen zu können.