© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/20 / 24. Januar 2020

Die „katholische Erneuerung“ als Episode der Schulpolitik
Christlich-abendländischer Scheinfrühling
(dg)

Nach beiden Weltkriegen kam es in Deutschland zu einem „katholischen Frühling“, der jedesmal Episode blieb. Der Germanist Sebastian Susteck, der den zweiten Anlauf „katholischer Neugestaltung“ zwischen der „Stunde Null“ und der Gründungsphase der Bonner Republik untersucht (Wirkendes Wort, 1/2019), führt das Scheitern dieses Versuchs, christlichen Glauben zur verpflichtenden Lebensnorm zu machen, auf die parallele, verschärfte Säkularisierung zurück, die beide Volkskirchen mit gleicher Härte traf. Zwar erlebte die katholische Kirche bis 1948 Zehntausende von Neueintritten. Aber damit kompensierte sie nicht die Austritte während der NS-Zeit. Allein 1937/38 verließen 200.000 Katholiken ihre Kirche. Und ab 1952 verkehrten sich die Vorzeichen: Es starben mehr Gläubige oder traten aus, als durch Geburt und Beitritt hinzukamen. Dabei standen die Chancen gut, die politisch-kulturelle Hegemonie zu erringen, stellten Katholiken doch in den westlichen Besatzungszonen die Hälfte der Bevölkerung, während ihr Anteil im Deutschen Reich nur ein Drittel betrug. Anhand katholischer Literatur von Reinhold Schneider, Gertrud von le Fort und Romano Guardini, die verstärkt in den Lektürekanon des Deutschunterrichts aufgenommen wurde, lasse sich aber die begrenzte Reichweite dieses quantitativ gewachsenen Einflusses ablesen. Die Werte der „christlich-abendländische Kultur“, die sie vermittelten, hätten sich, mit Ausnahme der davon bewirkten „europäischen, übernationalen Ausrichtung“, im „modernisierten“ Nachkriegsdeutschland nicht durchsetzen können. Also verschwand dieses Sinnangebot um 1960 wieder aus den Schulbüchern. 


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