© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/20 / 31. Januar 2020

Kriegstänze im Dritten Lager
Österreich: Strache fährt Frontalangriff gegen die FPÖ-Spitze, die wiederum hat mit Wahldebakeln zu kämpfen
Boris T. Kaiser

Das Dritte Lager in Österreich ist aktuell so zerstritten wie lange nicht. Nun will Heinz-Christian Strache, nach einem eigentlich angekündigten Rückzug aus der Politik, offenbar kommenden Herbst bei der Gemeinderatswahl in Wien antreten, um dort eine „starke Opposition“ zu werden. Gelingen soll das mit der FPÖ-Abspaltung „Die Allianz für Österreich“ (DAÖ). 

Bei dieser „Bewegung“ hielt er kürzlich eine Gastrede, in der er seine Gegner hart anging. Vor mehreren hundert Fans in den Wiener Sofiensälen sprach Strache von einer „Hetzjagd“ gegen ihn, die bis heute andauere, und beklagte den Angriff auf seine Privatsphäre und Persönlichkeitsrechte. Von der FPÖ fühlt er sich verraten und im Stich gelassen und wirft ihr vor, „das Geschäft der Linken vollzogen“ zu haben. 

„Ja, ich habe einen Riesenfehler gemacht“, betonte der 50jährige, und die Negativfolgen von Ibiza täten ihm im „Herzen zutiefst weh und leid“. Doch was man nun erlebe, sei, daß sich eine Freiheitliche Partei, in die er jahrzehntelang all seine Energie hineineingesteckt habe, in Auflösung befinde.

FPÖ-Parteichef Norbert Hofer: „Es reicht!“

Vor allem mit seinen Nachfolgern in der Parteiführung ging der ehemalige Vorsitzende streng ins Gericht. Mit der aktuellen Führungsspitze sei die FPÖ nicht mehr die „ familiäre“ freiheitliche Gemeinschaft, die sie all die Jahre gewesen sei. Fraktionschef Herbert Kickl und Parteichef Norbert Hofer wirft er vor, mittels Anbiederungen gegenüber der ÖVP mitverantwortlich für die heutige türkis-grüne Regierung zu sein. Nach seinem Ausschluß habe die FPÖ „Kopf, Herz und Seele verloren“, betonte Strache.

Strache legte derweil via Facebook noch nach, wo er sich die vergangenen Tage einen heftigen Schlagabtausch mit Hofer lieferte. Nach den Wahlen im Burgenland, bei der die FPÖ rund fünf Prozentpunkte verlor und nur 9,8 Prozent der Stimmen erreichte, während die SPÖ acht Prozent dazugewann und so mit 49,9 Prozent der Wählerstimmen die absolute Mehrheit holen konnte, schrieb Strache: „Der uncharismatische, unkameradschaftliche und inhaltselastische Hofer/Kickl-Kurs schlägt bei der FPÖ jetzt voll durch. Es gibt heute keine Ausreden mehr.“

Das wollte nun Hofer nicht unkommentiert lassen. Ebenfalls über Facebook erwiderte er: „Es reicht! Die FPÖ Burgenland verwahrt sich gegen die Kommentare des mehrfach zurückgetretenen ehemaligen FPÖ-Obmanns HC Strache. Kein Funktionär, kein Mitglied und kein FPÖ-Wähler hat sich solche entbehrlichen Kommentare verdient!“ Seine Antwort darauf, in der Strache gegen die „arroganten und hochbezahlten“ Spitzenfunktionäre wetterte und betonte, daß er „exakt für diese Bürger, Mitglieder und ehrenamtlichen Funktionäre“ überlege wieder anzutreten, versah er mit einem grinsenden Zwinker-Smiley. Zur Wien-Wahl will der Ex-FPÖ-Chef aus der „Allianz für Österreich“ die „Liste HC Strache“ machen. Diese möchte er als „Bürgerbewegung“ gegen die „Funktionärsparteien“ verstanden wissen.

Nicht nur Strache macht Hofer derzeit das Leben schwer. Die Medien, allen voran die Kronen Zeitung, haben sich regelrecht eingeschossen auf ihn und seine FPÖ. Beim Wiener Akademikerball, wo er als Strache-Nachfolger die Eröffnungsrede hielt, bekamen sie dafür neue Munition.

Edwin Hintsteiner, einer der führenden Köpfe in der Identitären Bewegung (IB), hatte auf Twitter ein auf dem Ball entstandenes Foto, das ihn mit Hofer zeigte, veröffentlicht. Da der FPÖ-Chef sich in der Vergangenheit strikt von der IB abgrenzte, unter anderem erklärte, daß er nie mit Martin Sellner, dessen Anwesenheit auf dem Ball bereits im Vorfeld für Aufregung sorgte, ein Bier trinken würde, ist das „Party-Selfie“ ein Problem für ihn. 

Vor allem die Boulevardpresse stürzte sich darauf und unterstellte nun ein Naheverhältnis zur von ihm öffentlich geächteten IB. Sogar Hofers Rücktritt wurde gefordert. Dabei hatte Hofer den Identitären schlicht nicht erkannt. Das bestätigen mehrere Augenzeugen und sogar Hintsteiner auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT selbst. 

Die Identitären sind ein weiterer Faktor in der Auseinandersetzung im Dritten Lager. Deren Chef Martin Sellner lud am Samstag zum Gründungstreffen seiner neuen Bürgerbewegung Die Österreicher (DO5). Vor rund 120 Anhängern sprach er über den  „Großen Austausch“ und „Ersetzungsmigration“. Klassische IB-Themen, weshalb Beobachter in der Neugründung lediglich eine Imagekampagne sehen. 

DAÖ und Strache wollen bei der Wien-Wahl punkten

Sellner selbst sieht es umgekehrt. Man habe „nie versucht, etwas zu verstecken“, sondern bekenne sich klar als eine „Bewegung gegen den Bevölkerungsaustausch“, sagte er, von der JF mit den Vorwürfen konfrontiert. Die Bewegung sei eine „Art Reaktion und Lehre aus den letzten Jahren“, in denen man gemerkt habe, daß man „mit dem avantgardistischen Aktivismus der IB viele Schichten links liegengelassen“ habe. Mit der neuen Bewegung wolle man nun „die größte Kundgebung in der Geschichte der zweiten Republik“ auf die Beine stellen. Daß auch Strache jetzt eine Bürgerbewegung aufbauen will, gefällt Sellner. „Alles was Bürgern die Möglichkeit der direkten Mitbeteiligung gibt, finde ich grundsätzlich gut“, sagt er. Er hoffe aber, daß FPÖ und DAÖ sich zusammenraufen und wieder „eine starke und professionelle Rechtspartei“ bilden.

Doch gleich am Montag griff DAÖ-Gründer Karl Baron die FPÖ-Führung an. Wie schon in der Steiermark habe die FPÖ-Spitze nun auch im Burgenland, trotz des „ungerechtfertigten Parteiausschlusses Straches, das Vertrauen bei den Wählern“ verloren. Das werde auch in Zukunft so sein, so Baron. Schon bei der Wien-Wahl im Herbst 2020 würde man den „Pfründen- und Privilegien-Rittern“ Hofer und Kickl mit „echter freiheitlicher Politik“ entgegentreten.  

Straches Comeback sei ein „politischer Nullfaktor“, erklärte dagegen FPÖ-Urgestein Andreas Mölzer bei Fellner!Live! (oe24). Dessen Auftritt falle  nicht umsonst in die Faschingszeit. Er kenne die Geschichte der FPÖ-Abspaltungen Liberales Forum, Jörg Haiders BZÖ oder des DAÖ, so der ehemalige EU-Abgeordnete weiter. Dies seien alles keine „politischen Faktoren, sondern Fußnoten in der österreichischen Zeitgeschichte“. Mehr werde es „leider auch für Heinz-Christian Strache nicht sein“.