© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/20 / 31. Januar 2020

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Im Februar zieht es mich mal wieder ins Sprechtheater. Eigentlich stehe ich dieser Kultursparte eher skeptisch gegenüber. Klassische Stoffe werden nicht selten von Regisseuren, die sich wichtiger nehmen als das Stück, verhunzt, Boulevardtheater hingegen trifft häufig nicht mein Humorverständnis. Doch jetzt lockt mich das Renaissance-Theater  mit der Komödie „Extrawurst“, geschrieben von dem Autorenduo Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob, das unter anderem bereits für bekannte Comedy-Fernsehformate wie „Pastewka“ oder „Stromberg“ verantwortlich zeichnete. In „Extrawurst“ geht es um einen fiktiven Tennisclub in der Provinz, der für seine Vereinsfeier einen Grill anschaffen will. Als jedoch jemand den Vorschlag macht, für das einzige türkische Mitglied des Clubs zusätzlich einen zweiten Grill anzuschaffen, weil gläubige Muslime ihr Grillgut nicht auf einen Rost mit Schweinefleisch legen dürften, läuft die Diskussion darüber aus dem Ruder. Das Stück hatte im Oktober vorigen Jahres im Hamburger Ohnsorg-Theater Premiere und ist nach Berlin in vielen weiteren Städten bundesweit zu sehen.


Fundstück: „Ich bin erklärtermaßen ein großer Freund der Beleidigung. Das ist eine eingeführte Stilform. Die 20er Jahre sind für mich auch in dieser Hinsicht eine große Zeit im deutschen Journalismus. Den Anspruch, den ich an eine Beleidigung habe, ist, daß sie originell ist, nicht platt.“ (Jan Fleischhauer, Focus-Kolumnist, in einem Interview mit der Branchenzeitschrift Journalist, Ausgabe Ja-nuar/Februar 2020)


Apropos Sprechtheater: Für den 25. April angekündigt ist die Premiere des neues Stücks von Bestsellerautor Ferdinand von Schirach, zeitgleich am Düsseldorfer Schauspielhaus und dem Berliner Ensemble. Unter dem Titel „Gott“ geht es um einen 78jährigen gesunden Mann, der nach dem Tod seiner Frau nicht mehr weiterleben will und Ärzte um ein Medikament zur Sterbehilfe bittet. Mit dem Fall befaßt sich der Deutsche Ethikrat, der das Für und Wider des Rechts auf einen selbstbestimmten Tod diskutiert – und am Ende läßt Schirach, wie schon bei seinem Erfolgsstück „Terror“, das Publikum entscheiden. Die Textfassung, ergänzt um Essays aus unterschiedlichen Perspektiven von drei Wissenschaftlern, erscheint ebenfalls Ende April im Luchterhand-Verlag. Mein Urteil übrigens steht in dieser Frage, der ärztlich assistierten Suizidbegleitung, seit jeher unumstößlich fest: Vor 25 Jahren schrieb ich in dieser Zeitung eine Kulturglosse mit dem programmatischen Titel: Sterben lassen.