© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/20 / 31. Januar 2020

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Wenn man in Deutschland einen Bestseller zu den fatalen Folgen des Computer- und

Bildschirmeinsatzes landet, lautet der Titel „Digitale Demenz“; bei unserem französischen Nachbarn: „Wie man Idioten macht“.

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Die Stellungnahmen Jan Fleischhauers sind im Regelfall wohlformuliert und klug. Aber wie jeder Konservative, den das Establishment duldet, hat auch er ein paar ungeschriebene Regeln der Argumentationsmeidung zu beachten. Besonders deutlich wurde das unlängst an seinen Betrachtungen zu den Versuchen, unliebsame Meinungen endgültig aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. Die Erklärung jedenfalls, hier reagierten überbehütete junge Leute auf die Konfrontation mit der Realität, trifft die Sache so wenig wie die Annahme, letztlich hätten „Helikoptereltern“ eine bedauerliche Verhaltensauffälligkeit zu verantworten. Tatsächlich geht es nicht um individuelle, sondern um kollektive Erziehung, vermittelt in Kindergarten, Vorschule, Schule, Hochschule, ergänzt um Rundfunk, Fernsehen, Internet und die übrigen Medien, die systematisch die Vorstellung ausgetrieben hat, daß es mehr als eine Auffassung von den Dingen geben könnte. Das Ergebnis ist der despotische Charakter, der heute als Massenphänomen begegnet und dem jeder als Spalter, Nazi, Dunkeldeutscher erscheint, der willens ist, etwas vorzutragen, was dem sogenannten Konsens widerspricht.

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Gegen bestimmte Worte empfinde ich einen fast körperlichen Widerwillen: Kreativität gehört dazu, Spiritualität auch.

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Aus unseren Innenstädten sind die Weltuntergangspropheten verschwunden, zottelige Gestalten, mittleren oder vorgerückten Alters, die selbstgemalte Schilder herumtrugen, Dunkles aus der Schrift zitierten, ihre Stimme und unsere Nerven strapazierten, wenn sie das Jüngste Gericht und unser Verderben ankündigten. Wahrscheinlich hat der Typus aber nur die Optik gewechselt, weiß wie man Rouge und Kajal setzt und findet sich von Vorstandsetagen hofiert oder in Davos oder an anderen Stellen, wo die smart people zusammenkommen.

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Nach einer Untersuchung des Gatestone Institute wurden in Deutschland 2019 pro Tag etwa zwei christliche Einrichtungen – Kirchen, Friedhöfe, Schulen, öffentlich aufgestellte Kreuze oder Heiligenfiguren – angegriffen, geschändet oder verwüstet. In Frankreich liegt die Zahl bei drei pro Tag. Allerdings sind auch die übrigen europäischen Länder mehr oder weniger stark betroffen. Offizielle Erklärungen für den dramatischen Anstieg liegen nicht vor. Teilweise handelt es sich um Vandalismus oder Schäden, die bei Einbrüchen verursacht wurden. Allerdings ist in vielen spektakulären Fällen auch von einer politischen Motivation auszugehen: die „Mauer der Reformation“ in Genf wurde mit einem Regenbogen beschmiert, dem Symbol der LGBTQ- Bewegung, die Attacken auf christliche Symbole in Spanien gehen in erheblichem Maß auf Anarchisten und andere Linksradikale zurück, die eine unselige Tradition fortsetzen. Aber ohne Zweifel gibt es auch religiöse Motive. Der Diebstahl von geweihten Hostien etwa spricht für satanistische Zirkel, und in Deutschland irritiert, daß die Zahl der Zerstörungen seit 2015 dramatisch angewachsen ist.

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In einem Bericht von RT France wird darauf hingewiesen, daß die Generaldirektion für Innere Sicherheit der Republik ein streng geheimes Dokument erstellt hat, das 150 Bezirke des Landes ausweist, die von Islamisten „gehalten“ werden. Neben der Banlieue der Hauptstadt, Vierteln von Lyon oder Marseille, handelt es sich vor allem um Teile des Nordens, die betroffen sind. Aber es geht auch um Regionen, die eigentlich als stabil gelten, in denen sich nun aber „Mikroterritorien“ in raschem Tempo „salafisieren“. Sie erfassen beinahe unbemerkt die Nachbarschaft und fördern einen Prozeß, in dem die staatlichen Einrichtungen nach und nach durch Parallelstrukturen verdrängt werden.

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Thilo Sarrazin ausgestoßen, Sigmar Gabriel im Aufsichtsrat der Deutschen Bank. Was muß man mehr sagen über den Niedergang der Sozialdemokratie?

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Angesichts des Aufwands zur Niederkämpfung des „Reichsbräus“, das in einem sachsen-anhaltinischen Getränkemarkt mit markigem Adler, Eisernem Kreuz und verdächtigem Zahlencode angeboten wurde, können wir uns beruhigt sagen: Das Land hat keine ernsten Probleme.

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Das Nachrichtenportal der französischen Zeitung Libération informiert, daß Eurostat, die Statistikbehörde der Europäischen Union, die französische Regierung ermahnt, endlich die exakte Zahl der Asylsuchenden zu melden. Seit 2009 unterschlägt Paris regelmäßig die Menge der aufgrund des Dublin-Verfahrens nach Frankreich kommenden – im Durchschnitt einige tausend Personen pro Monat.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 14. Februar in der JF-Ausgabe 8/20.